1505 - Dorina, die Friedensstifterin
wenn es mit dem Strauch nicht besser wird."
„Und das wird zweifellos nie der Fall sein, wenn Gatour nicht aufhört, den Strauch zu düngen", sagte Segur ärgerlich. „Kima-Sträucher vertragen so etwas nicht."
„Sterben sie davon?"
„Hör endlich auf, vom Sterben zu sprechen!" befahl Segur schroff. „Und jetzt komm!"
„Nein. Ich bleibe hier."
„Hör mal, Dorina - du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Dein Kima-Strauch ist hier oben sehr gut aufgehoben, und er kann für sich selbst sorgen. Er braucht dich nicht. Und der Lehrer wartet schon."
„Ich bin über mein Pensum hinaus. Ich kann es mir leisten, einen Tag nicht mit dem Lehrer zu arbeiten. Du kannst mich abholen, wenn die Sonne untergeht. Bis dahin werde ich hoffentlich fertig sein."
„Fertig? Womit?"
Keine Antwort. Dies war eine Seite ihres Wesens, die Segur gar nicht gefiel. Sie sagte stets klipp und klar, was sie wollte, und wenn sie der Meinung war, alles ausreichend erklärt zu haben, schwieg sie. „Dorina ..." begann er. „Ich möchte, daß er blüht", sagte sie. „Kleines, er blüht frühestens in zwei Jahren! Er ist noch zu jung, um Knospen zu bekommen. Es hat gar keinen Sinn, daß du ..."
„Er wird blühen!" sagte Dorina. „Ganz bestimmt!"
Und nichts konnte sie davon überzeugen, daß es in diesem Fall nicht nach ihrem Willen gehen würde.
Es konnte nicht funktionieren. Es gab schließlich ein paar Naturgesetze, die sich nicht einfach auf den Kopf stellen ließen, und eines dieser Gesetze besagte, daß ein Kima-Strauch erst blühte, wenn er mindestens fünf Jahre alt war. So jedenfalls hatte Segur es gelernt. „Ich mag es nicht, wenn du solche Ideen hast!" sagte er.
Dorina antwortete nicht. Sie sah ihn nicht einmal mehr an. „Und ich mag es auch nicht, wenn du mich einfach ignorierst!" fügte er heftig hinzu.
Keine Reaktion.
Er fühlte sich ihr gegenüber hilflos. Eine Zeitlang stand er noch herum. Dann ging er davon.
*
„Du bist schuld!" sagte Segur Vaccer zornig. „Du hast ihr diese Ideen in den Kopf gesetzt. Du hast wegen jeder Kleinigkeit einen solchen Wirbel veranstaltet, daß ihr gar nichts anderes übrigblieb, als sich für etwas Besonderes zu halten!"
Warna Vaccer antwortete nicht. Sie saß an ihrem Terminal und leitete den Einsatz der Erntemaschinen im nördlichen Sektor. Das war natürlich ein gutes Alibi, aber es war zugleich auch eine sehr durchsichtige Taktik.
Segur Vaccer hatte das schon zu oft erlebt, um sich davon beeindrucken zu lassen.
Er schaltete das Terminal aus. „Was soll das?" fragte Warna empört. „Es ist zu früh für die Ernte", stellte Segur fest. „In zwei Tagen, werden wir einen viel höheren Gewinn erzielen. Wenn du es nicht glaubst, dann fahre hinaus und überzeuge dich selbst."
Er wußte, daß sie es nicht tun würde. Dorina verbrachte bereits den dritten Tag oben auf dem Hügel. Warna würde sich nicht von der Farm entfernen, solange ihre Tochter die Sache mit dem Kima-Strauch nicht endlich aufgegeben hatte.
Warna ließ seufzend die Hände sinken. Sie drehte sich um und starrte Segur an. „Ich kann nichts daran ändern", sagte sie. „Vielleicht habe ich wirklich einen Fehler gemacht, aber ich glaube nicht, daß uns das jetzt weiterhilft. Und außerdem - meinst du nicht, daß Dorina tatsächlich ungewöhnliche Fähigkeiten hat?"
„Ich kann nur hoffen, daß du ihr das nicht sagen wirst!"
„Das ist nicht mehr nötig. Sie weiß bereits, daß sie anders ist."
„Woher soll sie das wissen? Sie kennt kaum andere Kinder in ihrem Alter. Sie kann also keine Vergleiche ziehen."
„Sie kennt Gatour."
„Wenn man sie an dem mißt, ist sie allerdings ein Genie."
„Er hat sie angegriffen."
Segur Vaccer fuhr so heftig in die Höhe, daß er fast den Tisch umgestoßen hätte. „Ich werde ihn ..."
„Du wirst gar nichts!" fiel Warna Vaccer ihm ins Wort. „Es ist ja nichts passiert. Dorina hat ihn angesehen und ihm gesagt, daß er sie in Ruhe lassen soll."
„Und weiter?"
„Er hat sie in Ruhe gelassen."
Segur Vaccer hatte ein seltsames Gefühl. Ihm war fast übel. „Was hat sie gesagt?" fragte er mit einer Stimme, die ihm völlig fremd in den Ohren klang. „Hast du dir die Worte gemerkt?"
„Sie sagte: ›Sei friedlich, Gatour. Ich bin kein gelbes Blatt. Und nun geh mir aus dem Weg.‹ Das war alles."
„Ein Zufall", vermutete Segur, aber es hörte sich auch für ihn selbst nicht sehr überzeugend an. „Jeder hätte das sagen können. Und Gatour ist ja nicht
Weitere Kostenlose Bücher