1508 - Der Templerjunge
so gewesen.
Und es traf auch diesmal zu.
Sie richtete sich plötzlich auf, wobei sie nicht zu lange in der Dunkelheit sitzen blieb, denn mit einem schnellen Griff betätigte sie den Schalter der kleinen Lampe nahe dem Bett.
Es war keine strahlende Helligkeit, die die Lampe verbreitete. Nur ein weiches, die Augen schonendes Licht, sodass keiner von ihnen geblendet wurde.
»Imre…?«
»Ja, ich bin hier.«
»Und? Wie ist es dir ergangen?«
Imre richtete sich ebenfalls auf. Er und seine Mutter konnten sich jetzt in die Augen schauen, wobei Imre den Blick schnell senkte, denn er war davon überzeugt, dass seine Mutter ihm bis hinein in die Tiefe seiner Seele schauen konnte.
»Er war wieder da, nicht?«
Imre nickte.
»Und?«
»Es war wie immer.«
Marita Kovec stöhnte leise vor sich hin. Sie wusste, was es bedeutete, wenn ihr Sohn diese Antwort gab. Sie bedeutete, dass der Vater versucht hatte, den Jungen auf seine Seite zu ziehen. Er würde niemals aufgeben, das stand fest.
»Hast du dich entschieden?«
»Ja, Mutter, das weißt du längst.«
»Wie hast…«
Er unterbrach sie und schüttelte zugleich den Kopf. »Das weißt du doch, Mutter. Ich will es nicht. Ich kann es nicht über mich bringen, ich will mich nicht gegen die Menschen stellen. Bitte, ich bin nicht in der Lage, seinem Weg zu folgen. Ich will bei dir bleiben.«
»Das ist gut«, flüsterte sie. »Aber du kannst dich anstrengen, wie du willst, mein Junge. Ein Mann wie dein Vater wird nicht aufgeben. Das kann er gar nicht. Er muss es tun. Ich habe es damals nicht genau gewusst, aber ich hätte es mir denken können. Er war nicht normal. Er war faszinierend, das muss ich zugeben. Heute würde ich sagen, dass er teuflisch faszinierend war. Ein menschlicher Satan, aber ich habe es damals nicht bemerkt.«
»Und wer ist mein Vater wirklich?«
Sie winkte ab. »Lass das mal zur Seite, mein Junge. Dein Vater ist jemand, über den man am besten nicht spricht. Ich denke, ich habe da das Richtige getan. Ich bin nicht mehr bei ihm. Und ich will auch nicht mehr zu ihm hin, denn jetzt habe ich hinter die Kulissen schauen können. Aber ich weiß auch, dass er immer ein bestimmtes Ziel verfolgt hat, und das hat er jetzt erreicht. Das hatte er schon vor zwölf Jahren erreicht, als du geboren wurdest. Er wollte einen Sohn haben, und den hat er bekommen, denn er fand mich, und ich bin damals auf ihn hereingefallen. Ich kann mich nur bei dir entschuldigen, Imre.«
»Nein, Mutter, nein, das musst du nicht. Ich verstehe dich. Du hast damals nicht anders handeln können. Du bist auch nur ein Mensch und keine allwissende Göttin. Ich habe mich darauf eingestellt, Mutter, das will ich dir sagen. Und ich werde nicht von meinem Weg abweichen. Ich stehe an deiner und nicht an seiner Seite, das allein ist wichtig. Du wirst erleben, dass ich alles tun werde, um ihm aus dem Weg zu gehen, und wenn er wieder bei mir erscheint, dann weiß ich, was ich zu tun habe. Das heißt, ich habe es bereits getan. Durch mein Eingreifen sind viele Menschenleben gerettet worden. Ich wusste von der Bombe, die gelegt worden war, und ich weiß auch, dass…«
Marita unterbrach ihren Sohn. »Woher hast du das gewusst? Sag es mir, bitte. Durch mich nicht.«
»Es waren eben die Botschaften, die mich erreichten. Und ich glaube nicht, dass du sie mir geschickt hast.« Er lächelte jetzt. »Das war er, denn er wollte mich auf die Probe stellen, und in seinen Augen habe ich die Probe nicht bestanden.«
Marita Kovec schlug für einen Moment die Hände vor ihr Gesicht. »Was willst du denn unternehmen? Kannst du überhaupt etwas tun? Du, der Junge, und er, dieser Wahnsinnige, wie ich jetzt zugeben muss. Er ist ein verdammter Satan auf zwei Beinen. Er kennt keine Gnade, wenn es darum geht, Menschen zu unterjochen. Für mich ist er eine Ausgeburt der Hölle, und ich glaube, dass der Teufel ihn geschickt hat, auch wenn es sich noch so schlimm anhört.«
»Den Teufel gibt es nicht nur in der Hölle, denke ich, aber ich werde ihm nicht dienen, Mutter, das schwöre ich dir. Ich habe schon meine Fühler ausgestreckt, und ich weiß auch, wo ich Hilfe bekommen kann…«
***
Sir James Powell, mein Chef, saß mir gegenüber und nahm seine Brille ab, deren Gläser er putzte. Er setzte sie wenig später wieder auf und nickte mir zu.
»Da kommt etwas auf uns zu, John.«
Er hatte es nicht einfach nur so dahingesagt, er wusste auch Bescheid, und zwar durch mich, denn ich hatte eine E-Mail erhalten. Nicht ich
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