1508 - Der Templerjunge
persönlich, denn Glenda Perkins hatte sie zuerst gelesen und sie dann ausgedruckt.
Jetzt schaute Sir James auf den Text und las ihn noch mal mit leiser Stimme.
»Ich werde Sie heute besuchen, Sir. Bitte warten Sie auf mich.«
Sir James hob die Schultern. »Kein Name, John! Was sagen Sie dazu?«
»Ich akzeptiere es.«
»Sie verlassen sich also auf die E-Mail?«
»Was sonst?«
Er nickte mir zu. »In Anbetracht dessen, was Sie in der vergangenen Nacht erlebt haben, müssen Sie das wohl. Es ist nur schade, dass Sie den Jungen nicht gesehen haben.«
»Ich bin davon überzeugt, dass es ihn gibt. Warum hätte sich der Lokführer so etwas einbilden sollen?«
»Richtig. Stellt sich nur die Frage, was sich alles dahinter verbirgt.«
»Daran knacke ich noch.«
»Was denken Sie denn?«
»Wir haben es hier mit einem Jungen zu tun, der offenbar besondere Fähigkeiten besitzt. Ich weiß nicht, woher er sie hat, aber ich kann mir schon jetzt denken, dass er diese Fähigkeiten nicht zum Schaden der Menschheit einsetzen wird. Er hätte nicht vor der Bombe warnen müssen, aber er hat es getan, denn er wollte keine Toten.«
»Und wie ist es möglich, dass er diese Fähigkeiten hat?«, wollte mein Chef wissen.
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Sir. Möglicherweise durch Beschwörungen. Vielleicht sind sie ihm auch angeboren.«
»Dann wären seine Eltern interessant.«
»Sie sagen es, Sir. Und wenn ich ihn treffe, werde ich nicht vergessen, ihn danach zu fragen.«
»Ja, das macht Sinn.« Er reichte mir die ausgedruckte E-Mail, die ich zusammenfaltete und einsteckte. »Dann wollen wir nur hoffen, dass der junge Mann so rasch wie möglich kommt.«
»Leider können wir ihn nicht abholen. Wir wissen nicht mal einen Namen. Es gibt keinen Hinweis, bis auf die Beschreibung des Lokführers, aber die war sehr genau. Ich würde den Jungen erkennen, wenn ich ihm begegne.«
»Okay, dann wünsche ich Ihnen viel Glück, John.«
»Danke.«
Ich verließ das Büro wenig später und machte mir schon meine Gedanken.
Bisher hatte ich nur erlebt, wie man einen Anschlag verhinderte.
Perfekt, wirklich, aber ich befürchtete, dass dies erst der Anfang war, und ob durch den Jungen, den ich als einen Menschenfreund ansah, jeder Anschlag verhindert werden konnte, das stand in den Sternen und war die große Frage.
Es roch nach Kaffee, als ich die Bürotür öffnete. Glenda wusste genau, was ich brauchte. Sie war eingeweiht und schüttelte den Kopf.
»Er hat sich noch nicht gemeldet, John.«
»Aber man weiß unten Bescheid?«
»Klar, die Kollegen am Empfang erwarten ihn.« Sie hob die Brauen an.
»Bleibt es dabei, dass ich ihn abholen soll?«
»Ich denke schon.«
»Das ist gut.«
Suko erschien. Er hatte unser gemeinsames Büro verlassen und lehnte sich an den Türrahmen.
»Na? Alles klar?«
»Fast.«
Er lachte. »Ich bin wirklich gespannt auf diesen E-Mail-Künstler. Wenn du mich fragst, dann werden wir jemanden kennen lernen, der ein schlechtes Gewissen hat.«
»Und warum sollte er das haben?«
»Das will ich dir sagen, John. Er besitzt Kräfte, die er nicht auf eine negative Weise einsetzen will. Im Gegenteil. Er hat in der Nacht seine Kräfte in eine andere Richtung gelenkt. Das ist meine Sichtweise der Dinge.«
»Damit könntest du recht haben.« Ich nahm meinen Pott Kaffee und ging in unser Büro. Meine Schritte waren recht schleppend. Am liebsten hätte ich mich für ein Stündchen aufs Ohr gelegt, denn die vergangene Nacht war mehr als kurz gewesen, nachdem der Zug über eine Nebenstrecke nach London umdirigiert worden war.
Deshalb machte ich es mir hinter dem Schreibtisch bequem und schaute Suko an, der dabei war, sich zu setzen und schon seine Frage an mich stellte.
»Wir beide kennen den Jungen nicht persönlich. Aber kannst du dir vorstellen, was er für Eltern hat?«
»Nein.«
»Und wieso besitzt er diese Fähigkeiten?«
»Wir werden ihn fragen.«
»Gut.« Suko hob die Schultern. »Ich hoffe nur, dass wir weitere Anschläge verhindern können. Es ist ja nicht der Junge, der im Hintergrund die Fäden zieht. Wir müssen denjenigen finden, der sie in den Händen hält.«
Ich hatte zwei Schlucke Kaffee getrunken und ließ die Tasse wieder sinken. »Wobei du keinen Verdacht hast?«
»Nein, wieso auch?«
»War nur eine Frage.«
»Du hast aber auch keinen.« Suko lächelte. »Wir werden unseren Freund erwarten und sehen dann weiter.«
»Okay.« Ich legte die Beine hoch und drapierte die Hacken dabei auf den
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