1508 - Der Templerjunge
»Und wie geht es dann weiter? Wollt ihr mich einsperren und bewachen?«
»Bewachen schon«, sagte ich, »aber nicht einsperren. Das auf keinen Fall, Imre.«
»Was dann?«
Suko fragte: »Was hast du denn vorgehabt?«
»Ich wäre zu meiner Mutter gegangen. Unser Wagen steht auf dem Platz, wo der Jahrmarkt eröffnet hat. Das ist auf einer Fläche im Hyde Park. Der erste Rummel hier im neuen Jahr.«
Davon wussten Suko und ich nichts, aber Glenda hatte davon gelesen, und das sagte sie uns.
»Was ist da deine Aufgabe?«, wollte ich wissen.
»Ich bin bei meiner Mutter. Am Wohnwagen ist ein Vorzelt. Dort hinein müssen die Menschen.«
»Und da sitzt dann deine Mutter?«
»Ja. Und ich auch.«
Wir waren davon überzeugt, dass uns der Junge die Wahrheit gesagt hatte. So tauschten Suko und ich einen Blick des Einverständnisses. Wir würden uns den Jahrmarkt näher anschauen und natürlich auch Imres Mutter, die mit Vornamen Marita hieß.
Ich wollte noch wissen, ob sie wusste, wo ihr Sohn in diesem Moment steckte.
Imre schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe ihr nichts gesagt. Das könnt ihr machen. Ich will nur meine Kräfte loswerden.«
»Das wirst du können«, sagte ich.
Imre sah jetzt hoffnungsvoll aus und wollte noch etwas von mir wissen.
Er fragte: »Sind es denn böse Kräfte, die in mir stecken? Was meint ihr dazu?«
»Ich denke nicht.«
»Aber sicher sind Sie nicht?«
»Man kann es herausfinden.«
»Wie denn?«
Ich hatte mich gedanklich schon längst mit dem Test beschäftigt und setzte ihn jetzt in die Tat um, denn ich holte mein Kreuz hervor, das der Junge bewundernd anschaute.
Wer so reagierte, der war auch in der Lage, es anzufassen. Er wollte erst nicht, und ich musste ihn schon zweimal auffordern, dann griff er vorsichtig zu.
»Es ist so schön«, sagte er mit leiser Stimme. »Es ist einfach nur wunderbar.«
»Danke.«
»Gehört es dir?«
»Ja.«
»Und woher hast du es?«
Ich winkte ab. »Das ist eine lange Geschichte. Es ist jetzt nicht die Zeit, sie dir zu erzählen. Aber ich freue mich, dass dir mein Kreuz so gut gefällt.«
Damit waren alle Unklarheiten beseitigt. Suko und ich konnten endlich fahren.
Der Junge ging zwischen uns. Glenda warf er noch einen scheuen Blick zum Abschied zu. Sie lächelte zurück und strich durch sein Haar. »Ihr schafft es bestimmt, Imre.«
»Meinst du?«
»Klar. Ihr seid ja zu dritt.«
»Aber das Böse ist stark.«
»Das weiß ich leider auch. Nur kannst du John und Suko vertrauen. Sie haben schon so manchen Teufel oder Dämon erledigt.«
Imre fing an zu lächeln. Allerdings sahen wir, dass es ihm schon schwerfiel, aber er sagte nichts mehr. Zu dritt verließen wir das Vorzimmer, und wenn ich in mich hineinlauschte, dann hatte ich alles andere als ein gutes Gefühl…
***
Bis zum Hyde Park hatten wir es nicht weit. Wer den Londoner Verkehr kennt, der weiß auch, dass selbst kurze Strecken gute Nerven erfordern.
Imre hatte uns den Weg zum Rummel beschrieben. Wir brauchten nur wenige Angaben, um uns zurechtzufinden. An der Ostseite, am Hyde Park Corner, rollten wir in den Park hinein und direkt auf die Serpentine Road, die zu dem gekrümmten See führte, der den Namen The Serpentine trug. Das allerdings nur in der weniger breiten Hälfte. Nach einer Brücke hieß der See The Long Water.
»Und wo finden wir euren Rummel?«, fragte Suko, der den Rover lenkte.
»Bleiben Sie bitte auf dieser Straße. Der Jahrmarkt ist direkt am Ufer aufgebaut worden.«
»Okay.«
Wir mussten schon durch die Lücken zwischen den Bäumen schauen, um die Karussells zu entdecken, bei denen sogar eine kleine Achterbahn nicht fehlte.
Es war kein großer Rummelplatz, der den Schaustellern zur Verfügung gestellt worden war.
Einen abgeteilten Parkplatz gab es auch, der gebührenpflichtig war. Ich zahlte den Obolus, und der dunkelhäutige Wächter dankte mir mit einem zweifachen Nicken.
Es war ein Frühsommerwetter, aber es roch nach Frühling. Die Bäume standen in einer prächtigen Blüte. Die hellen Apfelblüten, die Kirschblüten und die violetten Blätter der japanischen Zierkirschen gaben der Umgebung beinahe das Aussehen eines botanischen Gartens.
Wir hatten zwar einen Wochentag, dennoch war der Park bevölkert.
Frauen führten ihre Kinder spazieren, andere wiederum hatten es sich auf den Wiesen bequem gemacht.
Der Rummel lief bereits. Hier ging es um die Kinder, die mit ihren Eltern gekommen waren, denn hin und wieder sahen wir auch Väter, die ihre
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