1509 - Standbild des Grauens
er den Druck in seiner Kehle, der sich auf die Stimme legte.
»Ja, der Götze«, flüsterte er.
»Hast du ihn schon gesehen?«
»Nein.« Lucius Clay erschrak. »Auf keinen Fall. Ich - ich - will ihn auch nicht sehen. Der Götze ist tot. Ich will, dass er tot ist…«
»Na ja, nicht alles, was man will, erfüllt sich auch. Aber deine Geschichte klingt toll, und ich muss dir sagen, dass du mich neugierig gemacht hast. Ehrlich. Ich bin gespannt darauf, diesen Götzen kennen zu lernen.«
»Nein!«, rief er. »Was tust du dir an? Das ist Selbstmord! Ja, verdammt, so ist das.«
»Nein, das glaube ich nicht. Wir können uns ruhig etwas durch den Steinbruch bewegen. Hier oben ist wohl nicht der richtige Platz. Ich nehme an, dass wir nach unten müssen. Da können wir uns die Felswand genauer ansehen. Ich habe festgestellt, dass sie breite Risse hat, durch die man sogar in den Fels hineingehen kann. Ich kann mir vorstellen, dass es dort einen Ort gibt, an dem sich der Götze aufhält. Oder wir ein Bild von ihm finden. Wie auch immer.«
Lucius Clay hatte zugehört. Jedes Wort hatte sich praktisch in seinem Gehirn eingegraben, und er sah plötzlich ein, dass er auf verlorenem Posten stand.
Eine innere Stimme meldete sich, die immer lauter wurde, und so stand plötzlich für ihn fest, dass er einen Fehler begangen hatte. Er hätte sich nicht zu dieser Tour überreden lassen sollen. Diese Frau war nicht mehr echt bei Sinnen, und sie wusste gar nicht, in welch eine Gefahr sie sich begab. Oder doch?
Ein anderer Gedanke blitzte ebenfalls in seinem Kopf auf. Es konnte durchaus sein, dass die Blonde vorher informiert gewesen war und nur nach einer Möglichkeit gesucht hatte, nicht allein in dieses Gebiet zu fahren.
Ihre Reize hatten ihn benebelt. Da war sein Verstand im Eimer gewesen.
Aber was sollte er tun? Wenn er mit ihr fuhr, dann würde er auch an ihrer Suche teilnehmen müssen, und genau das wollte er nicht. So schnell wie möglich wieder zurück in Bodorgan sein, nur daran konnte er noch denken. Und so gab es nur eine Möglichkeit für ihn. Sich nicht mehr auf die Frau verlassen, sondern so rasch wie möglich aus diesem Gebiet hier verschwinden. Diesmal zu Fuß und nicht auf dem Sozius der BMW.
»Du denkst über mich nach, das sehe ich dir an.«
Die Bemerkung traf ihn völlig überraschend. »Ja, das tue ich. Ich kann nicht lügen.«
»Sehr gut. Und was denkst du so?«
Clay hob die Schultern. Er wollte nicht mit der Wahrheit herausrücken.
Er fühlte sich hier im Steinbruch plötzlich wie ein Gefangener.
Justine hatte ihren Spaß. Sie lächelte und blieb nicht mehr starr an der Maschine stehen. Sie ging an ihrer Breitseite auf und ab, wobei sie Lucius ansprach.
»Du denkst darüber nach, wer ich wirklich bin und wie du am besten von hier wegkommen kannst. Stimmt das?«
Clay nickte, obwohl er es gar nicht wollte.
Die Blutsaugerin blieb stehen. »Das hätte ich an deiner Stelle auch getan. Ich will dich auch nicht lange im Unklaren lassen und dir zeigen, wer ich bin. Außerdem spielst du in meinen Plänen eine entscheidende Rolle, denn du bist meine Nahrung.«
»Was?«, keuchte Lucius. Jetzt verstand er gar nichts mehr und wiederholte nur das eine Wort. »Nahrung?«
»Ja.«
»Das hört sich nach Essen an.«
»Kann aber auch trinken sein«, erklärte die Cavallo locker und bewies dann, warum sie auch die blonde Bestie genannt wurde. Sehr langsam öffnete sie den Mund, schob dabei die Oberlippe nach oben, zeigte ihr Gebiss und zugleich die beiden dolchartigen Vampirzähne…
Lucius Clay glaubte, im falschen Film zu sein. Obwohl er die beiden Zähne sah - woanders konnte er gar nicht hinschauen -, glaubte er an eine Täuschung.
Tief in seinem Innern jedoch baute sich ein Gebilde auf, das man als die Wahrheit ansehen konnte, und die bedeutete, dass die Blonde vor ihm ein weiblicher Vampir war. Die hatte sich keine falschen Zähne über die echten gesteckt, das war eine brutale Wahrheit, wobei er nie damit gerechnet hätte, dass es diese verdammten Gestalten tatsächlich gab.
Für ihn waren sie bisher nur Angst einflößende Fabelwesen aus Büchern und Filmen gewesen.
Jetzt lagen die Dinge anders, und er konnte den Schüttelfrost nicht unterdrücken, der in ihm hoch stieg und so stark war, dass seine Zähne hörbar aufeinanderschlugen.
Und wieder schoss ihm der Begriff Nahrung durch den Kopf. Vampire brauchten nicht zu essen, nur zu trinken, und dabei stand an erster Stelle das Blut der Menschen.
Er wäre
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