1511 - Der letzte Engel
Sandhaufen.
»He, du bist gut!« Justine klatschte Beifall. »Da hat die Hölle keine Chance. Aber das hatte sie schon bei mir nicht, als ich in den Brunnen kippte. Sie mag mich nicht, und darüber kann ich mich sogar freuen. Ob du es glaubst oder nicht.«
Suko nahm es ihr ab. Er hielt sich jedoch mit einem Kommentar zurück.
Er brauchte die Cavallo nicht. Dafür wurde er auf ein anderes Geräusch aufmerksam. Es hörte sich an wie ein Schlürfen oder Schmatzen und auch Gurgeln.
Suko trat dicht an den Kessel heran. Ein Blick reichte ihm aus, um zu sehen, was hier ablief.
Der Hexenbrunnen leerte sich. Und das, obwohl Suko keinen normalen Abfluss entdecken konnte. Die zähflüssige Masse gurgelte einfach weg, und sie zog den Dunst, der über ihr geschwebt hatte, mit sich. Für Suko war das das Ende des Hexenbrunnens.
Der Kessel selbst würde hier auch weiterhin als ein Mahnmal stehen bleiben. Seine höllische Kraft jedoch war ihm genommen worden, und er würde sich auch nie mehr füllen.
Suko wandte sich um. Sein Blick fiel auf die Cavallo, die breitbeinig auf der Stelle stand, die Arme angewinkelt und die Hände in die Hüften gestützt hatte.
»Das war eine reife Leistung. Hier hatte dein Freund, der Teufel, nichts zu bestellen, und die Hexen auch nicht.« Sie nickte dorthin, wo sich die vier Frauen aufhielten. »Hast du sie erlöst?«
»Das weiß ich nicht. Zumindest habe ich sie von einem Fluch befreit.«
»Dann sind sie wieder normal?«
Die Frage erweckte Sukos Misstrauen. »Was willst du damit sagen?«
»Nur so.«
»Das glaube ich dir nicht.«
Die Blutsaugerin grinste kalt. »Vielleicht habe ich Hunger. Vampire sind schließlich auch nur Menschen.«
»Untersteh dich!«
»War nur so dahingesagt. Ich glaube auch nicht, dass mir ihr Blut trotz der Veränderung gemundet hätte. Aber ich denke, dass ich trotzdem noch eine Chance habe. Wie hießen die Helfer der Hexen noch? Das waren die Quinlains - oder?«
Die Cavallo brauchte nichts hinzuzufügen. Suko wusste auch so Bescheid.
»Unterstehe dich. So lange ich in deiner Nähe bin, wirst du kein Blut saugen.«
»Bist du dir da sicher?«
»Ja.«
»Du weißt, dass ich schneller bin als die Menschen. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
»Ich würde dich trotzdem stoppen. Lass es nicht darauf ankommen.«
»Klar, mit deinem Wunderstab.«
»Du hast es erfasst.«
»Was bleibt uns dann?«, fragte sie und schaute sich dabei um. Dabei stellte sie fest, dass der Rotbärtige mit seinen beiden Söhnen längst das Weite gesucht hatte.
»Die Rückfahrt nach London.«
»Ich muss noch dem Autoverleiher mitteilen, dass die BMW fahruntüchtig im Wald liegt.«
Suko grinste, obwohl ihm danach nicht zumute war. »Und bei unserem Wagen sind leider die Reifen zerstochen worden. Wir werden ihn abholen lassen müssen, denn hier wird es keine Werkstatt geben, die sie wechseln kann. Aber es wird sicherlich hier jemanden geben, der uns nach Bangor fährt. Da wartet der Kollege Rice auf mich. Und zusammen mit ihm werde ich eine Lösung finden.«
»Das wollte ich auch vorschlagen. Und wer wird uns fahren?«
»Keine Sorge, wir finden schon jemanden.«
»Wie du willst…«
Archie Ungone war verschwunden. Er würde sicherlich über sein Leben nachdenken und hoffentlich in Zukunft auf solch gefährliche Abenteuer verzichten.
Ich hatte den Vorschlag gemacht, in eine der Lauben zu gehen, denn im Moment waren der Engel und ich an einem toten Punkt angelangt. Ich wusste nicht, wie es weitergehen würde, da war ich auf X-Ray angewiesen.
In der Laube hatte er einen alten Korbsessel gefunden, in den er sich gesetzt hatte. Er wartete darauf, dass ich die Tür zuzog, die sich nicht abschließen ließ.
Im Halbdunkel schauten wir uns an.
Ich hatte meinen Platz auf dem Rand einer alten Kommode gefunden.
Dort stand ich mehr, als dass ich saß, aber ich konnte mich zumindest entspannen.
»Das war nicht alles - oder?«, fragte ich.
»Stimmt, John.«
»Und wie geht es weiter?«
»Ich kann es dir nicht sagen.«
»Und warum nicht?«
X-Ray legte seine Hände gegen die Stirnseiten. Er konzentrierte sich.
»Im Moment habe ich keinen Kontakt, aber ich weiß, dass es zu einem grauenvollen Ereignis kommen kann. Ich spüre es. Jemand oder etwas ist unterwegs…«
»Genauer!«, forderte ich.
Der Engel hob die Schultern.
Ich blieb am Ball und fragte: »Ein Dämon vielleicht?«
»Nein«, murmelte er, »nein, das ist nicht der Fall. Den hätte ich gespürt. Es ist jemand, den man als
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