1516 - Totenlichter
sprachen dann beide, und dabei hatten sich ihre Gesichter stark gerötet.
So bekamen wir eine Geschichte zu hören, die an einen Gruselfilm mit gutem Ausgang erinnerte.
»Und es ist nichts mehr passiert, als ihr wieder in euren Wohnungen wart?«
Beide schüttelten den Kopf.
Ich gab so schnell nicht auf und wollte wissen, ob ihnen wirklich nichts aufgefallen war. Etwas, das den Verfolger von den meisten Menschen abhob.
»Ich wüsste nichts«, sagte Moritz Müller.
»Und du, Florian?«
»Auch nichts. Das ging einfach alles zu schnell. Außerdem war es dunkel im Wald.«
»Das ist nicht gut«, sagte Harry. »War denn nichts Außergewöhnliches an dem Kerl?«
»Weiß ich nicht.«
»Doch, Moritz, da ist etwas gewesen«, sagte Florian Thamm plötzlich.
»Was denn?«
»Der Geruch.«
»Ach, hör auf. Damit kannst du nicht angeben!«
Ich horchte auf. »Was ist denn mit dem Geruch? Habt ihr etwas Besonderes wahrgenommen?«
Florian Thamm schaute mir ins Gesicht und hob die Schultern. »Ja, ich habe was gerochen und Igel auch.«
»Igel?«
»So heißt Moritz mit Spitznamen.«
»Okay, weiter. Was war mit dem Geruch? Weißt du, wir sind Polizisten und müssen helfen, dieses feige Verbrechen aufzuklären. Und da ist jede Spur wichtig.«
»Der Geruch war da.« Florian senkte den Kopf. Wahrscheinlich musste er stark nachdenken.
»War er dir fremd?«, fragte Harry.
»Nee…«
»Also hast du ihn gekannt.«
Jetzt nickte Florian langsam, aber die Antwort gab sein Freund Moritz.
»Ich kannte ihn auch. Wir haben ihn oft gerochen.«
»Und wo?«
»Meistens in der Kirche.«
Harry und ich horchten auf. Hatten wir uns verhört? Nein, denn der Junge wiederholte seine Angabe.
»Wieso denn in der Kirche?«, fragte ich.
»Nur da gibt es diesen typischen Geruch.«
»Und wie hat es gerochen?«
»Nach Weihrauch«, flüsterte Florian Thamm. »Ja, da hat etwas nach Weihrauch gerochen.«
»Der Mörder oder…«
»Die komischen Klamotten. Diese Kutte, meine ich. Die hat nach Weihrauch gerochen. Aber das habe ich nur für einen kurzen Moment in mich aufgenommen, dann war es vorbei.«
Harry und ich saßen da und wussten nicht, ob wir dem Jungen glauben sollten oder nicht. Keiner der beiden machte auf uns einen abgedrehten Eindruck. Sie waren normale Kinder.
Mir lag eine Frage auf der Zunge, die ich auch nicht für mich behielt.
»Könnt ihr euch denn vorstellen, warum die Kleidung so komisch gerochen hat?«
Moritz Müller gab die Antwort. »Vielleicht ist der Mörder ja ein Mönch.«
»Nicht schlecht! Gibt es denn hier in der Nähe ein Kloster?«
»In Bamberg«, sagte Harry.
Darauf hätte ich auch selbst kommen können. Das sagte ich aber nicht, sondern nickte meinem Freund nur kurz zu. Dann wandte ich mich an die Jungen. »Ist euch noch etwas aufgefallen?«
»Mir nicht«, sagte Florian.
Sein Freund Igel dachte kurz nach, bevor er zugab, dass ihm auch nichts auf gefallen war.
Ich war damit nicht zufrieden und hakte noch mal nach. »Ihr habt also kein Gesicht gesehen?«
»Nein.«
»Und die Hände? Wie haben die ausgesehen? Könnt ihr euch wenigstens daran erinnern?«
»Er hat dich doch geschnappt«, sagte Moritz Müller zu seinem Freund.
Florian Thamm nickte. »Ja, das hat er. Ich habe seine Finger auch gespürt. Sie waren stark, aber ich habe sie nicht gesehen. Das ist doch in meinem Rücken passiert. Dann konnte ich mich losreißen, und sonst hat es nichts gegeben.«
Es war Pech für uns und Glück für die Jungen. Sie waren einer wahrscheinlich tödlichen Gefahr entkommen. Die einzige Spur, die wir neu hinzubekommen hatten, war der Weihrauch, den die Jungen wahrgenommen hatten. Er hatte sich in dieser Kutte verfangen, und uns stellte sich jetzt die Frage, ob wir es bei dem Mörder mit einem Vertreter der Kirche zu tun hatten. Darüber mussten wir mit dem Bischof reden.
Wichtig waren und blieben die beiden Zeugen. Ob sie außer Gefahr waren, dafür wollte ich keine Hand ins Feuer legen, und ich konnte mir vorstellen, dass man sie überwachte. Um das in die Wege zu leiten musste ich noch mit Hauptkommissar Hinz sprechen. Ich hoffte nur, dass er einen Beamten zur Überwachung abstellen konnte.
Den gleichen Gedanken verfolgte Harry Stahl. Er schärfte den Jungen ein, zu Hause zu bleiben, und erklärte, dass er auch mit ihren Müttern darüber sprechen wollte.
»Meine ist nicht da«, sagte Moritz.
»Ach, wo ist sie denn?«
»Meine Mutter arbeitet im Krankenhaus. Sie hat Nachtschicht. Die ganze Woche über. Das
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