1517 - Die Mondhexe
damit rechnete«, sagte er langsam, »dass Sie mit dieser Mondhexe zusammentreffen, ist sie bestimmt davon ausgegangen, dass Sie beide auf verschiedenen Seiten stehen, und dass man Sie, John, auf sie ansetzen wird. Kann man das so sehen?«
»Ja, auf jeden Fall. Aber ich weiß nicht, woher sie ihr Wissen hat. Vielleicht hat sie einfach ein paar bekannte Dinge zusammengezählt und ist zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, womit sie ja nicht falsch lag, wenn ich das so sagen darf.«
»Das ist wohl richtig.«
Suko meldete sich. »Ich denke, dass wir die Zeit ihres Eingreifens einkreisen können. Ich meine damit, dass sie in den Nächten des Vollmonds agiert. Falls hier eine andere Meinung vorherrscht, lassen Sie es mich wissen.«
Sir James schüttelte den Kopf. »Sie wird die wenigen Nächte oder auch Tage ausnutzen. Wir müssen mit weiteren Toten rechnen. Und dass sie die Brightons verschont hat, liegt daran, dass es Menschen sind, die nicht den Weg des Verbrechens gehen, sondern völlig normal leben. Sie hat nur die beiden Verbrecher getötet.«
»Verschwinden lassen«, sagte ich. »Ob sie tot sind, kann noch niemand mit Bestimmtheit sagen.«
»Womit rechnen Sie denn, John?«
»Erst mal mit gar, nichts. Aber ich gehe davon aus, dass die Mondhexe auf Rachetour ist.«
»Nennen Sie mir den Grund für Ihre Annahme.«
Ich hob die Schultern.
Sir James war damit nicht zufrieden, wie auch Suko nicht. Der Chef fragte: »Wie schätzen Sie diese Frau ein? Wer ist sie? Oder wer könnte sie sein? Eine Schwarzblüterin? Eine Dämonin oder irgendein Zwischenwesen?«
»Durchaus.«
»Und wohin tendieren Sie?«
»In Richtung Mensch, Sir.«
»Ach.« Der Superintendent zog die Augenbrauen hoch, enthielt sich eines Kommentars und dachte nach, bis er dann fragte: »Wie kann sich ein Mensch einfach auflösen?«
»Vergessen Sie den Mond nicht, Sir«, meinte Suko.
Unser Chef schwieg.
»Ja, Suko hat recht«, stand ich meinem Freund bei. »Der Mond spielt eine wichtige Rolle. Es ist seine Kraft, die für eine Veränderung sorgt, so muss man es sehen.«
»Kann sich durch seine Kraft ein Mensch einfach auflösen?«, fragte Sir James, »Nein, nicht so einfach. Ich denke jedoch, dass seine Kraft in andere Bahnen gelenkt worden ist.« Ich kam jetzt auf ein bestimmtes Thema zu sprechen. »Denken Sie an die mondsüchtigen Menschen, die es gibt. Denken Sie an die Unruhe, die der volle Mond in manchen Menschen hinterlässt. Es passieren bei Vollmond oft schreckliche Dinge. Schlimme Taten, die unter seinem Einf luss begangen worden sind. Aber denken Sie auch an die Menschen, die nach dem Mondkalender leben. Die nur zu bestimmten Zeiten zum Arzt oder zum Friseur gehen, die auch nicht einfach so ihre Gärten bepflanzen, sondern erst den Mond befragen. Das ist ein breites Spektrum, und es könnte sein, dass unsere Mondhexe bei diesen Menschen hoch im Kurs steht.«
»Dann gehen Sie davon aus, dass die Mondhexe ein normaler Mensch ist, John?«
»Nein, kein normaler. Auch keine normale Frau. Sie ist schon etwas Besonderes.«
»Und was?«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht ein Zwitter?«
»Genauer, John.«
Viel konkreter konnte ich nicht werden, versuchte aber trotzdem, meine Theorie glaubhaft darzulegen.
»Vielleicht ist sie eine Person, die ganz normal im Leben steht, aber zu Vollmondzeiten eine Veränderung durchmacht. Man kann einen entfernten Vergleich mit einem Werwolf ziehen. So lange die runde Scheibe am Himmel steht, ist er nicht mehr die Person, die er sonst ist.«
»Gut, John, und wer ist sie sonst?«
Da musste ich passen.
Suko zog seine ausgestreckten Beine an und saß in einer gespannten Haltung.
»Das müsste herauszubekommen sein. Wir haben die Beschreibung der Frau, wir wissen ihren Namen. Unsere Fahndung könnte sich um sie kümmern, und da wir ja ihren Namen kennen, sollten wir mal das Internet einsetzen. Wir haben vorhin von einer Mondszene gesprochen. Ich glaube nicht, dass es zu weit hergeholt ist, wenn wir diese Szene mal durchgehen. Da kann das Internet die perfekte Quelle sein.«
Sir James nickte. »Das ist eine Möglichkeit. Mondfans, Mondsüchtige, sie alle könnten sich darin tummeln, und ich denke, dass wir da Erfolg haben werden. Wir müssen die Frau finden, denn wer weiß, ob nicht noch mehr Menschen auf ihrer Liste stehen.«
»Davon müssen wir ausgehen«, sagte Suko.
Mir ging ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf, und den wollte ich nicht länger für mich behalten.
»Sir James, wie gut kennen
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