1517 - Die Mondhexe
so kraftlos, ich war am Ende, ich habe sogar an Selbstmord gedacht, doch dann brachte man mir bei, dass es noch eine Gerechtigkeit gibt. Und darüber bin ich verdammt froh.«
Archie lachte. »Ist diese Nackte deine Gerechtigkeit?«
»So sieht es aus.«
»Darüber kann ich nur lachen. Ja, und ich behaupte, dass du dich lächerlich gemacht hast. Ich will nur wissen, wer diese Tussi hier ist.«
»Vielleicht ist sie die Rache.«
»Aha, gegen mich?«
»Ja.«
Ann hatte nur das eine Wort als Antwort gegeben. Das jedoch mit einer Konsequenz, die für ein tiefes Erschrecken bei ihrem Mann sorgte.
Allmählich wurde Archie klar, dass die beiden Frauen zusammengehörten und alles andere als Feindinnen waren.
Er lachte plötzlich, was unmotiviert klang. Seine nächsten Worte spie er förmlich aus.
»So ist das also, Ann. Du hast mich die ganze Zeit über hintergangen. Verdammt noch mal, und ich Idiot habe davon nichts bemerkt.«
»Irrtum, Archie. Ich habe dich nicht hintergangen. Ich habe mir nur etwas gesucht. Ein Nest, in dem ich mich wohl fühlte, in dem ich auch akzeptiert wurde. Nichts anderes ist passiert. Und da bin ich eben auf meine Verbündeten getroffen.«
»Auf diese Mondweiber, wie?«
»Ja, genau. Da fand ich Schutz. Das waren Gleichgesinnte. Da erlebten wir Frauen eine neue Erfüllung, aber keine, wie du sie meinst. Wir wurden wieder zu normalen Menschen, und man hat es geschafft, uns die Angst zu nehmen. Das ist es, was mich glücklich gemacht hat, und nicht das Leben mit dir. Ich wäre gegangen - so oder so, und ich frage mich jetzt, warum ich mir die ganzen langen Jahre bei dir überhaupt angetan habe. Ich muss völlig verrückt gewesen sein.«
Archie starrte seine Frau wütend an. »So denkst du also! Ist das die Wahrheit, Ann?«
»Warum sollte ich lügen?«
»Weil ich dir beweisen werde, wer hier das Sagen hat, verdammt noch mal! Du kannst dir bei den Weibern die nötige Kraft geholt haben, aber ich weiß auch, dass du nicht stärker bist als ich. Du bist es nie gewesen, und das wird auch so bleiben.«
»Diesmal nicht, Archie.« Ann freute sich über ihre entschlossene Antwort. Sie konnte ihrem Mann dabei sogar ins Gesicht schauen. Sie drehte den Kopf nicht zur Seite, wie sie es sonst immer getan hatte, wenn sie einen Disput miteinander hatten. Und das lag einzig und allein an ihrer Besucherin, die im Hintergrund stand.
»Sonst noch was?«, flüsterte er.
»Ja, Archie. Ich liebe dich schon längst nicht mehr, und das wirst du auch begriffen haben. Aber ich hasse dich auch nicht. Du bist jemand, der nicht aus seiner Haut kann. Es ist möglich, dass du noch eine Chance hast. Aber es liegt nicht mehr in meiner Hand. Ich weiß nicht, was Luna mit dir vorhat, doch meinetwegen kannst du deine allerletzte Chance ergreifen und fliehen. Verlasse die Wohnung hier, tauche irgendwo unter, denn hier ist kein Platz mehr für dich.«
Jedes Wort hatte Archie getroffen wie ein brutaler Hammerschlag. Er duckte sich sogar, und über seine Lippen drang ein Krächzen. Sein Gesicht war verzerrt. Er bewegte seine Hände recht hektisch, schaute mal zu Ann hin und wenig später zu Luna.
Endlich ging ihm auf, was man da von ihm verlangte. Weg von Ann, weg aus der Wohnung - nein, das kam für ihn nicht infrage.
»Von wegen!«, keuchte er. »Von wegen! Alles was ich da gehört habe, kannst du vergessen. Ich werde nicht gehen. Aber ich werde dich aus dieser Wohnung hier rausprügeln. Hast du gehört? Ich mache jetzt den Anfang.«
Ann streckte ihre Hände vor. Sie kannte ihren Mann. Sie wusste, wozu er fähig war. Sie konnte auch nichts mehr sagen. Das übernahm eine andere Person.
»Überlasse ihn mir, Ann!«
»Ja, Luna, ja…«
Ann Clavell wusste nun, dass Archies Schicksal besiegelt war, denn Luna hatte bereits die Stufe erreicht, von der sie alle noch träumten.
Auch Archie hatte alles verstanden. Er sah es nur nicht ein. Aus seinem Mund drang ein raubtierartiges Knurren. Hass und Zorn hatten sein Gesicht rot anlaufen lassen. Er wollte sich nicht fertigmachen lassen, vergaß seine Frau und fuhr mit einer wilden Bewegung herum, wobei noch ein Schrei seinen Mund verließ.
Er wollte nach der Nackten schlagen, nur war Luna schneller. Ein kleiner Schritt reichte, und sie fing Archies Arme ab, die wuchtig nach unten gerissen wurden.
Archie schrie.
Seine Handgelenke steckten fest wie in zwei Schraubstöcken. Plötzlich traten Tränen in seine Augen. Seine Lippen fingen an zu zittern. Sein Kopf wurde regelrecht
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