1519 - Das Leichenbild
gewesen.
»Und das wissen Sie genau?«, fragte ich.
»Ja, Sir. Meine Frau hat immer davon gesprochen. Dabei scheint sie ihre Erfüllung gefunden zu haben.«
»Allein?«
»Ja, ich konnte damit nichts anfangen.«
»Moment, so meine ich das nicht. Hatte Ihre Frau Gleichgesinnte, mit denen sie häufiger zusammen war?«
»Wenn ich das wüsste, Mr Sinclair, wenn ich das nur wüsste. Ich bin ja die meiste Zeit unterwegs gewesen. Ich bin Trucker. Da konnte sie ihre eigenen Wege gehen, und das hat sie auch getan. Zumindest in den letzten Monaten.«
»Und dann wollte Ihre Frau Sie töten?«
»Ja, doch es klappte nicht. Was passiert ist, habe ich Ihnen ja berichtet. Ich bin nicht ganz unschuldig, doch ich kann Ihnen schwören, dass es ein Unfall war oder ein Unglück.«
»Wie lange sitzen Sie jetzt ein?«
»Etwas mehr als drei Monate.« Er breitete die Arme aus. »Auch wenn es für Sie vielleicht nicht so aussieht, aber für mich ist es die Hölle. Ich werde meine Zelle bald wechseln müssen. Man will mich mit einem anderen Gefangenen zusammenlegen, weil man der Meinung ist, dass sich meine Psyche inzwischen stabilisiert hat, aber das hat sie nicht. Es wurde schlimmer, nur habe ich das nicht gezeigt, weil ich die Hoffnung besaß, dass Sie kommen würden.«
Ich hatte alles begriffen und fasste es in einer Antwort zusammen.
»Jetzt bin ich hier, und Sie möchten, dass ich den Fall noch mal aufrolle und herausfinde, dass Sie kein echter Mörder sind und nicht hinter Zuchthausmauern gehören.«
»Nein«, flüsterte er erstaunt, »so ist das nicht.«
Jetzt lag es an mir, überrascht zu sein. »So ist das nicht?«, fragte ich.
»Wie dann?«
Er brachte seinen Kopf näher an mich heran. »Ihnen kann ich ja sagen, dass mich meine Frau auch im Tod nicht in Ruhe lässt. Es reicht ihr nicht, dass ich hier für Jahre einsitzen muss, sie quält mich auch noch aus dem Totenreich, wenn man das so sagen kann.«
»He, das müssen Sie mir genauer erklären.«
Jackson streckte mir seine rechte Hand entgegen. »Und Sie laufen nicht weg?«
»Warum sollte ich?«
»So habe ich es mir vorgestellt, Mr Sinclair« In seiner Antwort klang Dankbarkeit mit. »Ja, so und nicht anders. Dafür bin ich Ihnen sehr, sehr dankbar.«
»Nicht so voreilig. Warten wir erst mal ab, ob ich tatsächlich etwas für Sie tun kann.«
»Ich hoffe es.«
»Dann erklären Sie mir mal, wie der Kontakt Ihrer verstorbenen Frau mit Ihnen aussieht.«
»Sie hat mir erklärt, dass sie mich tot sehen will. Und das mit einer kalten Totenstimme, in der all ihr Hass mitschwang. Können Sie sich das vorstellen?«
»Noch nicht, Mr Jackson. Aber deshalb bin ich hier.«
»Danke.«
»Wie hat die Stimme zu Ihnen gesprochen? Wie entstand der Kontakt? Haben Sie ein traumatisches Erlebnis gehabt? Ich weiß, dass es Menschen gibt, die etwas in diese Richtung hin erlebt haben. Oder hörten Sie die Stimme aus einem Radio oder dem Fernseher?«
Ebby Jackson hatte mich ausreden lassen und gab mir dann die Antwort.
»Nichts dergleichen, Mr Sinclair.«
»Wie dann?«
»Das werde ich Ihnen jetzt zeigen.« Er bewegte sich nach links und schob seine Hand unter ein Keilkissen, auf das er beim Schlafen seinen Kopf bettete.
Ich verfolgte die Bewegung und schaute zu, wie er einen braunen Umschlag in DIN-A4-Größe hervorholte. »Hier habe ich den Beweis«, flüsterte er.
»Gut.«
»Nein, Mr Sinclair, es ist nicht gut, es ist schrecklich, und ich weiß auch nicht, wer mir dieses Foto geschickt hat.«
»Foto?«
»Ja, eine Fotografie.«
»Und weiter?«
»Warten Sie, ich hole es hervor.«
Der Umschlag war nicht zugeklebt. Er öffnete ihn nur etwas weiter, um mit den Fingern hineingreifen zu können. Es dauerte nicht lange, bis er das Foto herausgezogen hatte, das fast so groß wie der Umschlag war.
Noch blickte ich nur auf die Rückseite. Er drehte es um und sagte mit leiser Stimme: »Schauen Sie es sich an, Mr Sinclair.«
»Gern.« Ich war wirklich gespannt, was es zeigte und hörte noch seine Erklärung, bevor ich es umdrehte.
»Es ist mir anonym zugeschickt worden. Man hat es mir nach der Kontrolle trotzdem überlassen, denn es stellt ja keine Gefahr dar.«
»Zum Glück.« Ich drehte die Aufnahme um und war überrascht, weil ich wirklich nur das Porträt einer Frau sah.
»So sah meine Amy als Lebende aus«, flüsterte mir Ebby Jackson zu.
»Das hatte ich mir schon gedacht. Und Sie wissen nicht, wer es Ihnen geschickt haben könnte?«
»Nein, Mr Sinclair, und dabei lüge
Weitere Kostenlose Bücher