152 - Prophet des Feuers
mitleidiger.
„Nein, er hat sich nicht beschwert. Er hat lediglich den Sachverhalt festgestellt und um Rücküberweisung der zwanzig Mark gebeten, zuzüglich seine Auslagen. Das Ganze hat er natürlich über seinen Anwalt abgewickelt, der uns seine Gebührenrechnung gleich beigelegt hat."
„Dann wird man ihm wohl sein Geld zurückgeben müssen", sagte Willi Grabosc. Er war froh, daß die Sache so glimpflich abgegangen war.
„Hören Sie zu, Grabosc, so geht das nicht weiter. Sie stören das Sittendezernat bei der Arbeit, Sie mischen sich in Entführungsfälle, die Sie nichts angehen, und jetzt das. Mit Ihrer Art machen Sie die Polizei lächerlich - was meinen Sie, was passieren wird, wenn diese, nun sagen wir, Anekdote in irgendeinem Boulevardblatt breitgetreten wird?"
„Ich find's lustig", meinte Grabosc.
„Ich nicht, und andere auch nicht. Ich schlage vor, daß Sie sich einen Tag Urlaub nehmen und in dieser Zeit gründlich darüber nachdenken, Wie Sie sich bei uns aufführen wollen. So geht das jedenfalls nicht weiter."
Grabosc war verärgert, als er den Raum wieder verließ. Er wußte selbst nicht, wie er das fertigbrachte, aber irgendwie gelang es ihm immer wieder, sich auffällig oder sonderbar zu benehmen. Oder in ganz seltsame Dinge verstrickt zu werden - wie die Angelegenheit um die Satanssekte.
Zwei Monate lag das nun zurück, die Wunde war verheilt - aber diese Affäre hatte Spuren hinterlassen.
Seit Grabosc wußte, daß es Dinge wirklich gab, die von anderen ins Reich der Fabel verwiesen wurden, kam ihm sein täglicher Dienst immer öder und langweiliger vor.
Gern hätte er wieder mit Coco Zamis zusammen gegen Dämonen gekämpft, aber nichts dergleichen war in Sicht. Es sah ganz danach aus, als seien die Ereignisse um die Wolfenburg im deutsch/belgischen Grenzgebiet die einzigen Berührungen mit Magie und Hexen gewesen, die es in Graboscs Leben geben würde.
Mißmutig und ein wenig niedergeschlagen kehrte Grabosc vom Dienst in seine kleine Wohnung zurück. Er fragte sich, wie er den dienstfreien Tag verbringen sollte. Selbstverständlich hatte er nicht die geringste Lust, einen ganzen Tag lang in sich zu gehen. Statt dessen, so beschloß er, würde er seine Wohnung einmal gründlich aufräumen.
Grabosc war kein Mann, der die Ausführung eines gerade gefaßten Entschlusses lange hinauszögerte. Er machte sich sofort an die Arbeit…
Als er nach zwei Stunden eine erste kleine Pause einlegte, hatte sich das Zimmer optisch stark verändert, an der Grundtatsache, daß es bis in den letzten Winkel vollgestopft war, hatte sich hingegen nichts geändert.
„Vielleicht sollte ich endlich einmal etwas wegwerfen", sinnierte Willi. Nachdenklich wog er einen weiß schimmernden Gegenstand in der Hand, von dem er nicht recht wußte, woher er ihn hatte und wohin er gehörte. Erst ein paar Sekunden später fiel es ihm wieder ein…
In der Wolfenburg hatte er das Ding gefunden. Coco Zamis hatte es als Teil einer menschlichen Hirnschale bezeichnet - offenbar kannte sie sich in diesen Dingen recht gut aus.
Grabosc verzog angewidert das Gesicht. Er wollte den Knochen gerade in den Mülleimer werfen, als ihm mit einem Schlag klar wurde, was er da in der Hand hielt…
Ein Stück Knochen, das einmal zu einem menschlichen Schädel gehört hatte. Zu wem auch immer dieser Knochen gehört haben mochte - dieser Jemand war längst tot, und wenn der Knochen in der Wolfenburg gelegen hatte, dann war dieser Mensch höchstwahrscheinlich gewaltsam ums Leben gekommen. Was Grabosc in der Hand hielt und mit einem immer übler werdenden Gefühl in der Magengrube betrachtete, war möglicherweise das einzige Indiz für einen Mord.
Grabosc stieß einen Seufzer aus. Was nun?
Zu den Vorgesetzten gehen und ihnen des langen und breiten erklären, wie er an diesen Knochen gekommen war? Er wäre dazu verpflichtet gewesen, aber wer hätte ihm geglaubt?
Grabosc sah sich den Knochen genauer an. Ob der Schädel einem Mann oder einer Frau gehört hatte, ließ sich für ihn nicht feststellen. Da mußte mit den Mitteln einer kriminaltechnischen Untersuchung gearbeitet werden.
Eines aber fiel Willi auf.
Auf der nach oben gewölbten Seite des Knochens waren Linien zu erkennen, einer primitiven Strichzeichnung nicht unähnlich. Eine Botschaft?
Wenn ja, konnte Grabosc sie nicht lesen. Die Linien waren nur bei sehr genauem Hinsehen zu erkennen und nicht besonders tief. Zudem waren sie oft unterbrochen, als habe dem Zeichner oder Graveur
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