1528 - Metamorphosen des Geistes
biochemischen Ähnlichkeiten sind wahrscheinlich reiner Zufall. Sie sind auch keineswegs einmalig. Man findet sie bei fast allen Lebensformen, deren Körperchemie auf Kohlenwasserstoffbasis aufgebaut ist. Aber wozu erzähle ich dir das? Du weißt darüber mehr als ich."
Lena Grispin lachte leise auf. „Es gehört zu meinem Fachgebiet", bestätigte sie.
Sie seufzte. „Anfangs schien mir dies eine ganz einfache Sache zu sein", sagte sie leise. „Wir stellen fest, mit welchen Erregern wir es zu tun haben, entwickeln die entsprechenden Gegenmittel, geben unsere Erfolgsmeldungen ans Humanidrom weiter und verschwinden wieder - eine klare, schnelle Angelegenheit. Statt dessen scheint niemand zu wissen, ob dieser Planet in Zukunft zu den gesperrten Welten gerechnet werden muß oder nicht.
Sogar die Kosmische Hanse scheint sich unsicher zu sein. Niemand weiß, was man mit Punam machen soll."
Sie sah Dancing Tree an und verzog das Gesicht. „Ich hatte gehofft, daß du Licht in die Sache bringen könntest", fuhr sie fort. „Aber du bist noch schlimmer als Darn. Der hat wenigstens einen klaren Standpunkt. Von dir höre ich immer nur ›vielleicht‹ oder ›möglicherweise‹. Warum kann mir nicht einer von euch endlich einen klaren Beweis präsentieren? Was ist denn so schwierig daran? Wozu gibt es all diese Tests und Übungen und das ganze andere Zeug?"
Dancing Tree zuckte die Schultern und lachte. „Man kann Intelligenz nicht so einfach messen und abwiegen", erwiderte er. „Und die Punamer sind noch dazu ein ausgesprochen schwieriger Fall. Sie sind nicht Fisch und nicht Fleisch - nicht mehr Tier, aber auch noch nicht intelligent."
„Nun, soviel ich weiß, reicht das bereits!"
„Im allgemeinen ja, aber hier nicht."
„Und warum nicht?"
„Weil wir nicht einwandfrei feststellen können, ob die Punamer überhaupt fähig sind, jemals über die jetzt von ihnen erreichte Stufe hinauszukommen."
„Gut, einverstanden. Dann helfen wir eben nach."
„Auch das könnte falsch sein. Sie sollten die Chance haben, ihre eigenen Fehler zu machen. Wir dürfen erst dann eingreifen, wenn wir ganz sicher sein können, daß wir ihnen damit nicht ungewollt um so größeren Schaden zufügen. Und dazu müssen wir eben definitiv wissen, auf welchem Stand sie sich befinden und wohin sie sich bewegen."
„Und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt angelangt."
Dancing Tree lächelte und nickte. „Aber das ist doch verrückt Irgendwann müssen wir eine Entscheidung treffen. Die medizinischen Probleme sind bereits fast vollständig gelöst. Wir können die Quarantäne in Kürze aufheben. Aber bevor wir das tun, müssen wir doch wenigstens wissen, was wir den wilden Kolonisten sagen sollen! Wir können doch nicht rund zwanzigtausend Leute davonjagen, wenn wir noch nicht einmal einen triftigen Grund dazu haben!"
„Wir brauchen eben etwas mehr Zeit."
„Du brauchst mehr Zeit!"
Dancing Tree zog die Augenbrauen hoch. „Suchst du einen Sündenbock?" fragte er spöttisch.
Sie drehte sich abrupt um und kehrte in die Station zurück.
Dancing Tree seufzte und ging, um Ivy von einem der Bäume herunterzulocken.
2.
2.12.1170 NGZ
Der Morgennebel hatte sich noch nicht ganz aufgelöst, da waren schon die ersten Punamer zur Stelle. Das war verständlich: Nach der langen Nacht hatten sie Hunger.
Natürlich war jedem klar, daß diese Wesen sich nicht ausschließlich von Leckereien und Süßigkeiten ernähren konnten. Darum hatte man sich darauf geeinigt, daß man ihnen zumindest zum Frühstück nur gesunde Kost servierte.
Diese wohlmeinende Maßnahme traf bei den Punamern auf sehr wenig Gegenliebe. Fast jeden Morgen gab es Ärger deswegen. Die Punamer waren an und für sich recht friedliche Wesen, aber morgens, vor dem Frühstück, waren sie schlichtweg ungenießbar.
Und Xan war - nicht nur in dieser Beziehung - der schlimmste von ihnen.
Aber an diesem Morgen war er nicht da. „Was hat das zu bedeuten?" fragte Lena Grispin beunruhigt. „Ist ihm etwa irgend etwas passiert?
Vielleicht hatte er einen Unfall. Ob wir nicht besser nach ihm suchen sollten?"
Dancing Tree streichelte Ivy, die sich ängstlich an ihn drückte und mit großen Augen nach draußen blickte.
Sie war stets erschrocken, wenn sie sah, wie ihre Artgenossen sich am Morgen aufführten. Das Brüllen und Schreien, die wilden Verfolgungsjagden und Prügeleien - all das war nicht nach ihrem Geschmack.
Er schickte sie in sein Zimmer. Sie gehorchte sofort. Sie schloß
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