1531 - Dschungeltod
Ich habe Ramon und Carmen Diaz nicht angetroffen. Das war schlimm.«
»Wolltest du sie töten?« Glenda wunderte sich über den Mut, den sie aufbrachte. Sie wartete gespannt auf die Antwort, über die Tabea noch nachdenken musste.
»Ich weiß nicht, ob ich sie getötet hätte«, erklärte sie schließlich. »Ich kann es wirklich nicht sagen. Aber sie gehören auch zu der verdammten Familie.«
»Wie meinst du das?«
»Ach, hör auf. Darüber will ich nicht reden. Nicht jetzt. Ich bin gekommen, um andere zu töten, und die beiden in dem Haus hätten mir einige Fragen beantworten können.«
Glenda lächelte knapp. »Möglicherweise kann ich das. Oder ist dir das nicht recht?«
»Du? Ha, niemals. Nein, das glaube ich nicht. Du hast doch keine Ahnung, was los ist.«
»Das schon, aber…«
»Es gibt kein Aber. Und es wird auch kein Aber geben…«
Glenda unterbrach sie. »Dann suchst du etwas. Ja, du bist gekommen, um hier in der Stadt nach etwas zu suchen. Habe ich recht?«
Tabea sagte zunächst nichts. Sie funkelte Glenda an und nickte einige Male.
Glenda sprach behutsam weiter. »Darf ich fragen, wen du suchst?«
»Warum willst du das wissen?«
»Nun ja, ich könnte dir vielleicht helfen.«
»Warum?«
»Weil es mir wichtig ist. Ich möchte wissen, was dich hierher nach London getrieben hat.« Tabea holte tief Atem. Dabei rasselte es in ihrer Kehle. Dann sprach sie mit einer leisen Stimme: »Ich bin hergekommen, um mich zu rächen. Und ich werde mich rächen. Ich habe den Geist der Unsterblichen empfangen, und ich bin nicht gestorben, wie man es sich gewünscht hat, als man mich verjagte.«
»Wer jagte dich fort?«
»Die Menschen. Meine eigenen Eltern. Sie hassten mich. Sie wollten mich nicht mehr in ihrer Nähe haben, denn ich war für sie nichts anderes als eine Ausgeburt der Hölle. Ich stank, ich war hässlich, man sperrte mich weg, und meine Eltern überließen mich den anderen im Dorf, die mich noch mehr hassten. Sie trieben mich in den Dschungel, wo ich elendig verrecken sollte. Aber ich bin nicht gestorben. Ich kehrte zurück, um mich an denen zu rächen, die mich in den Tod haben treiben wollen.«
Glenda war über die Erklärung erstaunt. Sie riss sich allerdings zusammen und stellte eine Frage. Dabei schaute sie auf das Messer mit der langen Klinge, das Tabea hatte sinken lassen.
»Dann willst du mit deinen Eltern abrechnen?«
»So habe ich es vorgesehen, denn sie haben sich aus dem Staub gemacht. Sie sind aus Mexiko geflohen und hierher nach London ausgewandert. Aber ich werde sie finden, das kann ich dir versprechen. Und dann werde ich sie mit meinem Messer aufschlitzen.«
Glenda nickte. »Ja, jetzt verstehe ich dich. Deshalb bist du in das Haus eingedrungen, um deine Eltern zu…«
»Nein!«, schrie sie. »Nein, verdammt, so ist das nicht gewesen! Du hast ja keine Ahnung…«
»Wie sollte ich auch?«
»Ja, wie solltest du…« Sie senkte den Kopf.
»Dann leben deine Eltern also nicht in dem Haus?«
»Ich musste trotzdem hinein.«
»Darf ich den Grund erfahren?«
»Maria Sanchez, meine Mutter, ist eine Halbschwester von Ramon Diaz, der mit seiner Frau Carmen in dem Haus wohnt. Sie leben schon länger hier in London, und wenn jemand weiß, wo sich meine Eltern aufhalten, dann sind sie es.«
»Jetzt verstehe ich. Du hast sie nicht angetroffen, aber sie hätten dir helfen können.«
Tabea nickte.
Glenda setzte sich kerzengerade hin. »Soll ich ehrlich zu dir sein?«, fragte sie.
»Wenn du willst.«
»Du hast dir deine Chancen durch die beiden Morde verbaut. Du hättest die Männer nicht töten dürfen, denn damit hast du nur die Polizei auf deine Spur gebracht. An deine Verwandten wirst du auch nicht mehr so schnell herankommen. Sie stehen ab jetzt bestimmt unter Polizeischutz. Ich kenne mich da aus. So hast du schlechte Karten.«
»Sie werden wieder besser. Das kannst du mir glauben!«, flüsterte Tabea und hob die Waffe wieder an. »Du wirst mir dabei helfen, meine Eltern zu finden. Und das noch in dieser Nacht.«
Glenda schloss für einen Moment die Augen. So etwas Ähnliches hatte sie sich gedacht, denn was wäre dieser Mörderin auch anderes übrig geblieben?
»Ich kenne deine Eltern nicht.«
»Aber du kannst sie finden!«
»Ich weiß nicht mal, wie sie heißen.«
»Maria und Alfonso Sanchez. Sie sind hier, und Ramon Diaz wird bestimmt dafür gesorgt haben, dass sie bleiben können. Ich glaube auch nicht, dass sie sich illegal hier aufhalten.« Sie lachte. »Hast du
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