1535 - Der Satan von Soho
die Wände des Wohnwagens nicht. Hätten sich die beiden laut unterhalten, ich hätte etwas hören müssen. Aber da war nichts zu vernehmen. Es blieb still, und so duckte ich mich unter dem Fenster und richtete mich vorsichtig auf, um einen Blick ins Innere zu werfen.
Beide waren da.
Und beide sahen nicht so aus, als wären sie Feinde. Sie saßen sich gegenüber, und ich sah das Lächeln auf Lucy Martis Lippen. Fast sehnsuchtsvoll und auch dankbar schaute sie ihren Lebensretter an, der sein Killerschwert mit der Spitze auf den Boden gedrückt hatte und den Griff mit beiden Händen umschlang.
Sie unterhielten sich. Für mich sah es nicht so aus, als wären sie in Streit geraten. Es war eine Unterhaltung, die auf Freundschaft schließen ließ.
Beide schienen sich prächtig zu verstehen, wobei sich das Lächeln auf Lucys Lippen nie auflöste.
Was sollte ich tun? Was musste ich tun?
Ich schaute in einen Wohnwagen, wo sich eine junge Frau mit einem dreifachen Mörder aufhielt. Ich war Polizist, und deshalb war es meine Aufgabe, Mörder und ähnliche Gestalten zu stellen. Ich konnte ihn aus Prinzip nicht laufen lassen.
Ich wusste, wie brutal er war. Das war die eine Seite. Es gab noch eine zweite, denn mir war nicht bekannt, welche Kräfte noch in ihm steckten.
Mein Kreuz hatte mich nicht grundlos gewarnt. Ich hatte es hier nicht mit einem normalen Menschen zu tun. Diese Gestalt war anders. In ihr steckte etwas Dämonisches. Das war nicht wegzuleugnen, auch wenn sie das Leben der jungen Frau gerettet hatte.
Ich fasste nach meinem Kreuz! Ja, es hatte sich erwärmt. Also lag ich richtig. Ich tauchte wieder weg und zog die Beretta. Mir war klar, dass eine verdämmt harte Aufgabe vor mir lag. Ich hätte mir gern einen Helfer an die Seite gewünscht, und das nicht nur aus Feigheit, es wäre einfach sicherer gewesen. Aber Suko, mein Freund und Kollege, lag im Bett und schlief.
Ein Glatzkopf, dazu das glatte Gesicht. Ich kannte den Killer erst seit kurzer Zeit, aber ich kannte einen Menschen, der ihm ähnlich sah. Da musste ich automatisch an Saladin, den Hypnotiseur, denken. Die beiden hatten wirklich eine frappierende Ähnlichkeit, und ich schloss einen Zusammenhang zwischen ihnen nicht aus.
Vor der Tür wartete ich. Mein Herz klopfte jetzt schneller. Jede Rücksicht war jetzt fehl am Platz. Kein Anklopfen mehr. Die Tür einfach aufreißen und mich als Überraschungsgast präsentieren.
Kurze Konzentration.
Der Griff zur Klinke.
Das kurze Herunterdrücken.
Eine Sekunde später riss ich die Tür auf, hob das rechte Bein an und stand im Wagen…
***
Es war nicht so, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Ich hörte keinen Schrei, auch keine Flüche. Ich sah nur zwei Personen, die mein Erscheinen regungslos hinnahmen, als wäre es das Normalste der Welt.
Lucy Martin saß so, dass sie zur Tür schaute, und sie hatte mich deshalb als Erste gesehen.
»John - du?«
»Ja, ich.«
Es war seltsam. Lucy und ich schauten uns an. Keiner sprach mehr ein Wort, und auch der Mörder reagierte nicht. Er blieb auf seinem Platz hocken, das Schwert stand nach wie vor mit seiner Spitze auf dem Boden, und der Mann dachte gar nicht daran, sich mit mir zu beschäftigen.
»Wer ist das?«, fragte ich.
»Samson«, erwiderte Lucy mit leiser Stimme. »Er ist mein Lebensretter. Du weißt es, ich habe dir von ihm erzählt. Ich bin ihm so dankbar, und jetzt hat er mich besucht.«
»Aber du weißt auch, dass er ein Mörder ist und drei Menschen vor deinen Augen brutal abgeschlachtet hat.«
»Klar. Aber hätte er mich vergewaltigen lassen sollen?«
Aus ihrer Sicht hatte sie recht. Aber ihre Sicht war nicht die meine, und deshalb sagte ich: »Da du weißt, wer ich bin, wird es dir auch nicht komisch vorkommen, wenn ich ihn verhafte. Ich kann keinen dreifachen Killer einfach laufenlassen.«
»Ja, John. Aber er ist anders.«
»Wie anders?«
»Er ist uns Menschen über. Ich glaube nicht, dass er sich von dir verhaften lässt. Er wird immer seinen eigenen Weg gehen, das steht fest, und es ist ein Weg voller Geheimnisse und Wunder. Ich bin dir sogar dankbar dafür, dass du mich aufgeklärt hast. Jetzt weiß ich durch ihn, dass du nicht gelogen hast. Es gibt wirklich mehr Dinge auf der Welt, als wir uns vorstellen können.«
»Das weiß ich. Aber es gelten immer noch bestimmte Gesetze. Man kann nicht einfach erscheinen und morden. Das war so, das ist so, und das wird immer so bleiben.«
»John, du musst anders denken«, sprach sie
Weitere Kostenlose Bücher