1537 - Der Schlafwandler
Sie griff nach seiner Hand und führte ihn weg wie ein kleines Kind…
***
Ein Tag und eine Nacht waren vergangen, und wieder saßen Suko und ich im Büro. Von den Conollys hatten wir nichts gehört. Sheila schien ihr Versprechen nicht eingelöst zu haben, aber darauf wetten wollte ich nicht. Ihr war alles zuzutrauen. Wenn sie sich einmal hinter etwas geklemmt hatte, biss sie sich auch daran fest.
Ich möchte nicht behaupten, dass ich ein Büromensch bin, aber es tat schon gut, hin und wieder im Büro zu bleiben. Es durfte nur nicht zu lange dauern, und nach dem wie immer tollen Kaffee kribbelte es mir schon wieder in den Fingern.
Das sah Suko mir an, und er grinste. »Du willst wieder raus, nicht?«
»Du nicht?«
Er hob die Schultern. »Wenn ich mir das nasskalte Wetter anschaue, habe ich es hier besser.«
»Ach nein! Wirst du alt?«
»Älter, genau wie du.« Er grinste wieder. »Aber wenn ich hier mal zwei Tage sitze, dann fühle ich mich wie ein Beamter, wenn du verstehst.«
»Das ist wohl wahr.«
»Ich sehe dir allerdings an, dass du gern Bill Conolly anrufen würdest, stimmt’s?«
»Ich kann leider nicht widersprechen.«
»Dann tu es doch.«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
»Weil Sheila es sich möglicherweise überlegt hat. Wenn ich sie oder Bill anrufe und damit beginne, Fragen zu stellen, wecke ich unter Umständen schlafende Hunde. Genau das will ich vermeiden.«
»Verständlich.« Suko lehnte sich zurück. »Aber vielleicht hat Sheila wirklich aufgegeben.«
»Sie?«
»Ja. Wer weiß, was da alles gelaufen ist.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Suko, so gut kenne ich sie. Die gibt nicht auf. Das wäre das Letzte, was sie tun würde. Ich gehe vielmehr davon aus, dass sie heimlich versucht, dem Fall auf den Grund zu gehen. Sheila ist eine Frau, die…«
Ich kam nicht mehr dazu, noch etwas hinzuzufügen, denn das Telefon störte mich. Glenda Perkins befand sich nicht im Vorzimmer, sie war irgendwo unterwegs, und Suko war diesmal schneller. Er hob ab, meldete sich, hörte zu und sagte: »Ja, der ist da, Kollege.«
Der Hörer wurde mir rübergereicht, und ich fragte mit halblauter Stimme: »Wer ist es denn?«
»Der Kollege Alex Nader.«
»Oh, das könnte unseren Fall voranbringen.«
Ich telefonierte nicht lange, denn ich merkte, dass der Kollege unter Druck stand, als er mich fragte: »Kann ich zu Ihnen kommen? Haben Sie Zeit?«
»Für Sie immer. Geht es um Deborah Crane? Gibt es neue Hinweise, die auf…«
»Nein«, unterbrach er mich. »Diesmal geht es um eine andere Frau. Sie ist tot. Man hat sie heute Morgen aus der Themse gefischt.«
»Selbstmord?«
»Es deutet vieles darauf hin, aber diesmal haben wir eine Spur.«
»Okay, dann kommen Sie bitte.«
»Ich bin in einigen Minuten da.«
Suko hatte mitgehört, und er schaute mich über den Schreibtisch hinweg erstaunt an.
Ich winkte ab. »Bitte keine Fragen, erzähl mir lieber, was dir dein Gefühl dazu sagt.«
Er hob die Schultern. »Nun ja, damit kann sich einiges verändern. Es ist nur zu hoffen, dass sich die Spur nicht als Flop erweist.«
»Glaube ich nicht. Der Kollege würde sonst nicht hier antanzen. Mal sehen, was er uns zu sagen hat.«
Wir waren beide gespannt und mussten zudem nicht lange warten, denn wir hörten zwei Stimmen aus dem Vorzimmer. Da sprachen ein Mann und Glenda Perkins.
»Okay, ich bringe Ihnen dann den Kaffee.«
Jemand klopfte an der Tür, obwohl sie nicht geschlossen war, und dann betrat der Kollege Alex Nader unser Büro.
Er war ein recht kleiner Mensch. Auf dem Kopf wuchsen schwarze, lockige Haare. So dunkel waren auch die Augenbrauen, die wie zwei Striche wirkten. Er zog seine Jacke aus, hängte sie über die Lehne des Besucherstuhls und nahm Platz.
Seine schmale Ledermappe legte er auf den Schreibtisch. Wir reichten uns die Hände, sagten noch mal die Namen, und Nader schaute sich um, nachdem er saß.
»Eine Offenbarung ist das Büro hier auch nicht.«
»Stimmt.«
»Da bin ich froh.«
»Warum?«
»Weil ich auch nicht eben in einem Luxuszimmer sitze, Mr Sinclair«, erklärte er und bekam große Augen, als Glenda das Büro betrat und den Kaffee brachte. »So gut habe ich es natürlich nicht. Wir müssen uns die braune Brühe immer am Automaten holen.«
Das war Wasser auf Glendas Mühlen. »Aha«, sagte sie, »da seht ihr es mal wieder.«
»Wir beschweren uns doch auch nicht.«
Mit einer Drohgebärde in meine Richtung zog sie sich wieder zurück.
Der Kollege hatte die Zeit genutzt und
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