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1537 - Der Schlafwandler

1537 - Der Schlafwandler

Titel: 1537 - Der Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mit ihrer Schneide den Boden.
    Kate fand ihre Sprache zurück. »Wer ist das?«
    »Sie heißt Angel.«
    »Ah, die Frau, die auf meine E-Mail geantwortet hat?«
    Wieder antwortete die sanfte Stimme: »Ja. Aber denk über den Namen nach. Er kann Programm sein.«
    »Wie…?«
    »Angel«, flüsterte der Schlafwandler und wiederholte den Namen. »Angel…«
    Kate musste schlucken und zugleich nachdenken. In der letzten Zeit hatte sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, und so kam diese Wendung für sie überraschend. Nur langsam arbeiteten ihre Gedanken, und dann hatte sie plötzlich die Lösung gefunden und sprach sie mit leiser und kratziger Stimme aus.
    »Ist sie ein Engel?«
    »Ja, das kann man sagen.«
    »Meine Güte.« Sie sagte nichts mehr. Plötzlich stürzte einiges auf sie ein, und sie schaffte es nicht, den Strom ihrer Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie kam sich auf einmal sehr hilflos vor.
    Eine Hand strich über ihren Kopf.
    »Ich habe dich bisher begleitet«, sagte Karel. »Es ist mein Engel, der dich jetzt an die Hand nehmen wird und dich die letzten Schritte in deinem Leben begleitet. Ich verabschiede mich.« Er schaute sie noch einmal an, und Kate hob den Blick, um ihm in die Augen sehen zu können.
    Sie waren vorhanden, aber trotzdem anders. Sie sahen anders aus.
    Nicht verdreht, aber ohne Leben. Sie zeigten das Innere an, das sehr, sehr weit weg war.
    Der Mann ließ Kate los. Da sie keine Berührung und auch keinen Halt mehr spürte, schwankte sie ein wenig auf der Stelle. Allein hätte sie sich nicht getraut, den schmalen Steg zu betreten, wo man auf sie wartete.
    Aber Angel machte es ihr leicht.
    Die Person streckte ihr die Linke entgegen, und Kate griff nach der Hand, umklammerte sie, und sie fühlte, dass die Finger weder kalt noch warm waren.
    Einige Sekunden geschah nichts. Dann spürte die Todkranke den leichten Zug, und sie ging auf Angel zu. Sie konnte nicht anders. Sie musste einfach gehorchen, und so betrat sie die feuchte Plattform aus Metall.
    Sie befand sich unter der Brücke und war an beiden Seiten durch ein Geländer gesichert.
    Beide konnten nebeneinander gehen, so breit war der Steg. Der Engel sagte nichts. Er führte sie über den Steg hinweg, der auf die Mitte des Stroms zulief.
    Kate spürte den Wind, der über das Wasser wehte und auch gegen ihr Gesicht schlug. Sie nahm den typischen Geruch des Flusses auf, der immer ein wenig nach Vergänglichkeit roch, und sie war schon überrascht, als sie plötzlich anhielten. »Wir sind da!«
    Die sanft gesprochenen Worte rissen sie aus ihrer gedanklichen Leere.
    Zuckend bewegte sie die Augen und schaute über das Geländer hinweg in die Tiefe, da ihre Begleiterin sie leicht zur Seite gedreht hatte.
    Dort unten floss der Strom. Er wälzte sich durch das breite Bett. Es war nicht völlig finster. Auf den Wellen fingen sich oft genug Lichtreflexe und Schaumkronen versuchten sich gegenseitig zu überholen. Schiffe waren im Moment nicht zu sehen. Der breite Wasserstreifen lag frei unter ihr, und es war genau der richtige Zeitpunkt.
    »Du kannst es jetzt tun!«
    »Ja.«
    »Warte, ich helfe dir!« Angel hatte bereits die ersten Bemühungen gesehen, mit denen Kate auf das Geländer klettern wollte. Es war ein wenig schwierig für sie, aber sie schaffte es mit Angels Hilfe.
    Auf dem Geländer blieb Kate stehen. Noch wurde sie von hoch gestreckten Händen gehalten. Der Wind spielte mit ihren Haaren und blies gegen ihr Gesicht und den Körper. Sie schwankte, als sie die Arme ausbreitete, und der Engel sprach noch seine letzten Worte, die er ihr mit auf den Weg geben wollte.
    »Die Erlösung ist nah. Du wirst in mein Reich gelangen und dort das Neue, Vollkommene erleben.«
    Mehr sagte Angel nicht. Dann gab sie Kate einen leichten Stoß in den Rücken. Für einen Moment stand Kate noch schwankend auf dem Geländer, als könnte sie sich nicht entscheiden, in welche Richtung sie fallen sollte.
    Dann kippte sie nach vorn und schrie auf!
    Plötzlich war ihr bewusst geworden, was sie tat. Und dass es für sie kein Zurück ins Leben mehr gab.
    Wie ein großer Vogel fiel sie nach unten. Sie breitete sogar die Arme aus. Ihr Schrei verwehte, und einen Moment später schlug sie auf die harte Wasserfläche und verschwand.
    Angel schaute nach unten. Auf ihrem glatten Gesicht zeigte sich ein zufriedenes Lächeln. Dann drehte sie sich um und ging zurück zu Karel Sorbas, der auf sie wartete.
    »Komm, die Nacht ist noch lang, und du brauchst Ruhe…«

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