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1537 - Der Schlafwandler

1537 - Der Schlafwandler

Titel: 1537 - Der Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sie getroffen worden. Das geweihte Silber hätte eigentlich für eine Entscheidung sorgen müssen, aber sie fiel nicht. Die Frau glotzte uns weiterhin an und stützte sich auf ihrer Waffe ab. Dabei bewegte sie die Lippen, als wollte sie etwas sagen oder etwas zwischen ihren Zähnen zerkauen.
    Wir warteten ab.
    Wenn das geweihte Silber sie schon nicht vernichtete, würde es sie vielleicht geschwächt haben, doch das mussten wir erst abwarten. Sie stand noch auf den Beinen, aber sie schwankte.
    »Sollen wir noch mal schießen?«, fragte Suko.
    »Nein.«
    »Was willst du dann?«
    »Ich nehme das Kreuz!«
    »Sie ist ein Engel, John.«
    Ich lachte scharf auf. »Ist sie das wirklich?«
    »Okay, versuche es.«
    Ich konnte mir Zeit nehmen, denn Angel fand noch immer nicht die Kraft, sich von der Stelle zu lösen. Sie versuchte es, nur in ihrem Körper tobten jetzt Kräfte, die sie nicht gewohnt war. Aber sie besaß noch die Axt! Und die hob sie an. Es klappte nicht wie sonst. Sie musste sich schon anstrengen, denn ein Teil ihrer Kraft hatte sie verlassen. Aber schließlich bekam sie ihre Waffe doch noch vom Boden hoch.
    Genau da ging ich auf sie zu.
    »Du bist ein Engel?«
    »Ja!«, brüllte sie mich an.
    »Ich glaube dir nicht!«
    Sie fluchte und verzog dabei ihr Gesicht zu einer Grimasse. Dann hob sie ihre Waffe an.
    In diesem Augenblick präsentierte ich ihr mein Kreuz. Sie konnte einfach nicht daran vorbeischauen, und ich sah die erneute Veränderung in ihrem Gesicht.
    Augen, die sich vor Angst weit öffneten.
    Zugleich spürte ich die Wärme, die durch meine Hand rieselte, und die Gestalt vor mir verlor ihre Kraft. Sie war nicht mehr in der Lage, die Waffe zu halten, die zu Boden fiel und auch nicht mehr aufgenommen wurde.
    Ich trat dicht an sie heran. So dicht, als wollte ich Angel umarmen. Dann hörte sie meine Stimme.
    »Auch Engel müssen sterben!«, flüsterte ich ihr zu und drückte das Kreuz in ihr Gesicht.
    Etwas Schreckliches passierte. Zuerst war es nur der Schrei, der mich zusammenzucken ließ. Das war kein menschlicher Laut mehr. Ein Ton, der seinen Ursprung in den Tiefen der Hölle haben musste.
    Der Schrei war der Anfang vom Ende, und ich musste mit ansehen, dass die so gesund aussehende Gesichtshaut nichts anderes mehr war als Tünche. Sie erhielt nun eine andere Farbe. Sie wurde grau, und dann platzte sie einfach auseinander.
    Ich wich vor ihr zurück. Zusammen mit Suko schaute ich zu, wie sie endgültig verging.
    Sie hob ihre Hände an. Mit den gespreizten Fingern fuhr sie durch ihr Gesicht und ließ sie nach unten gleiten. Dabei hatte sie ihre Finger gekrümmt gehalten, und mit den spitzen Nägeln riss sie ihre Haut ab. Sie verwandelte ihr Gesicht in einen blutigen Klumpen, dessen rote Flüssigkeit ebenfalls grau wurde.
    Sie brach zusammen.
    Angel war kein Mensch gewesen, kein normaler, denn das erlebten wir nach dem Zusammenbruch. Sie lag auf dem Boden wie ein Klumpen Fleisch, das alt aussah. Grau und alt. Aus ihm sickerte eine blasse Flüssigkeit. Der Rest hatte überhaupt nichts Engelhaftes mehr an sich.
    Nicht nur die geistige Kraft war dahin, auch die körperliche. Was zurückblieb, war ein zusammengeschmolzener Körper, der sich nie mehr erheben würde und reif für den Abfallhaufen war…
    ***
    Die beiden Männer vom Sicherheitsdienst hatten großes Glück gehabt.
    Sie waren nur verwundet worden. Um sie kümmerte sich der Notarzt, der herbeigerufen worden war.
    Auch meine Kollegen hatte ich alarmiert. Sie sperrten die Passage ab.
    Selbst neugierige Zeitungsleute wurden nicht durchgelassen.
    In der Boutique lag die Leiche des Schlafwandlers. Suko und ich schauten sie uns an, und wir hofften, bald von den beiden Frauen mehr zu erfahren.
    Zumindest von Glenda, die den Horror besser überstanden hatte als Sheila, die auf einer der Bänke saß und sich nicht mal getraut hatte, ihren Mann anzurufen.
    Ich setzte mich neben sie.
    »So kann es kommen«, sagte ich.
    Sheila lehnte sich an mich. »Ich weiß, John. Ich hätte mich nicht einmischen sollen, aber wer hätte denn ahnen können, dass sich alles so entwickeln würde?«
    »Niemand Sheila, niemand. Aber so ist es immer. Auch bei uns und manchmal auch bei deinem Mann oder deinem Sohn.«
    »Ja. Ich sehe es ein. Ich werde Bill einiges beichten müssen.«
    »Soll ich mit dabei sein?«
    »Nein, John, das ist einzig und allein meine Sache.«
    »Ja, es ist deine Sache, Sheila…«
    ENDE

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