1537 - Der Schlafwandler
eingetroffen war. Auch sie hatte sich auf den Rand gesetzt und stand auf, als sie Sheila sah.
»Ich wollte dich gerade anrufen.«
»Sorry, aber ich hatte etwas Wichtiges zu tun.«
Beide Frauen umarmten sich.
»Was war es denn? Hängt es mit unserem Fall zusammen?«
»Das kann man wohl sagen. Wir haben jetzt freien Eintritt zur Wohnung und zum Geschäft von Deborah Crane.«
»Hast du etwa die Schlüssel?«
»Ja!«
»Super.« Glendas dunkle Augen blitzten. »Und wo fangen wir an?«
»Ich denke, wir nehmen uns zuerst die Wohnung vor. Wir müssen in den vierten Stock.«
Im Lift schnitt Sheila das Thema Schulden an, und Glenda meinte: »Da hast du dein Motiv für den Selbstmord.«
»Kann sein.«
»Aber?«
»Ich weiß nicht, ob das alles gewesen ist. Sie hat nie den Eindruck gemacht, als hätte sie finanzielle Sorgen.«
Glenda zuckte mit den Schultern. Dann sagte sie: »Wir sind da.«
»Okay.«
Beide Frauen verließen die mit dünnen Stahlwänden ausgestattete Kabine. Sie betraten einen Flur, von dem die Wohnungen abgingen.
Unter sechs Türen, die sich gegenüber lagen, konnten sie wählen, und bei der zweiten schon hatten sie Glück.
»Super.« Sheila ließ den Schlüssel in die Öffnung gleiten und drehte ihn nur einmal. Dann war die Tür offen.
Sie traten hintereinander ein und gerieten in eine Stille, die ihnen schon ungewöhnlich vorkam. Es konnte auch an der Luft liegen, die sich in diesem Apartment staute, denn hier hätte mal gelüftet werden müssen, was nicht der Fall gewesen war.
Ein schmaler Flur. Helle Bilder mit ebenfalls hellen Rahmen an den Wänden.
Ein kleines Bad, ein Wohn-und Schlafraum, eine Küche, das war alles.
Für einen Single genau richtig.
Sie betraten den Wohnraum. Auch hier hatte sich die stickige Luft gehalten, und Sheila öffnete das Fenster, um zu lüften.
Leer. Nichts wies darauf hin, dass die Mieterin zurückkehren würde. Alles war aufgeräumt. Nichts lag herum. Wahrscheinlich wollte Deborah Crane nicht, dass Menschen, die nach ihrem Ableben die Wohnung betraten, eine Unordnung entdeckten.
Es gab auch keinen Abschiedsbrief, und nach einem ersten Rundgang nahm Sheila hinter dem kleinen Schreibtisch Platz. Ein Laptop stand zusammengeklappt an der Wand.
Auch auf dem Schreibtisch war nichts Persönliches zu entdecken. Ein paar Kugelschreiber lagen sorgfältig nebeneinander gelegt neben einem Telefon.
Sheila sah einen offenen Zettelkasten, aber sie entdeckte auch die schmale Schublade in der Mitte.
Mit dem Stuhl rollte sie etwas zurück, um die Lade bequemer öffnen zu können. Sie zog sie auf und sah eine kleine Mappe mit einem grünen Lederumschlag.
Glenda hatte zugeschaut. »Ein Tagebuch?«, fragte sie.
»Keine Ahnung.« Sheila schlug die Mappe auf. Leere Seiten, zumindest bis zur Hälfte. Dann sah sie etwas Geschriebenes und las es halblaut vor, wobei sie eine Gänsehaut bekam.
»Ich kann nicht mehr. Ich will auch nicht mehr. Es hat alles keinen Sinn mehr für mich.«
»Das ist schlimm«, flüsterte Glenda.
Sheila nickte verbissen. »Sie hätte mir nur etwas zu sagen brauchen. Wir hätten über Geld reden können.«
»Ob es nur daran gelegen hat?«
Sheila hob die Schultern und blätterte weiter. Die folgenden Seiten waren wieder leer, aber im letzten Drittel des Buches fanden sie wieder einen Text.
»Ist er die Hoffnung?« Sheila drehte Glenda den Kopf zu. »Was soll das bedeuten?«
»Blättere mal weiter.«
Das tat sie. Wieder leere Blätter. Dann stand auf einer Seite in Großbuchstaben die nächste Nachricht.
DAS NEUE LEBEN!
Beide Frauen dachten nach, und sie dachten wohl das Gleiche, denn von Sheila kam kein Widerspruch, als Glenda ihren Kommentar abgab.
»Das neue Leben kann der Tod gewesen sein.«
»Richtig.«
»Und sie ist den Weg konsequent gegangen.«
»Aber allein?«, fragte Sheila.
»Du glaubst noch immer nicht daran?«
Sheila schüttelte den Kopf und ballte die rechte Hand zur Faust. »Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ich habe sie zwar nicht gekannt wie meine eigene Schwester, aber es gehört schon etwas dazu, ins Wasser zu gehen, und das völlig allein.«
»Ja, das ist wahr.«
Sie blätterte weiter. Diesmal musste sie nur zwei Seiten umschlagen, um die nächste Nachricht zu lesen. Sie bestand aus einem Namen. Und er war ebenfalls in Großbuchstaben geschrieben.
KAREL SORBAS.
Ein tiefes Ausatmen, dann die Frage an Glenda. »Sagt dir der Name etwas?«
»Nein. Dir?«
»Ich habe ihn nie gehört. Aber er muss für Debbie
Weitere Kostenlose Bücher