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154 - Die Macht der Nosfera

154 - Die Macht der Nosfera

Titel: 154 - Die Macht der Nosfera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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nachweisen, dass er die frische Ration zu Unrecht trug.
    Danach untersuchte er das Pärchen in der Barbarenkleidung und nahm auch ihnen die noch prall gefüllten Beutel ab.
    Erst nachdem er alles an sich gebracht hatte, überkam Leonid das große Zittern. Aufwallende Schuldgefühle drängte er jedoch zurück. Er hatte keine Unschuldigen getötet – nein, ganz bestimmt nicht. Plünderer verdienten den Tod, und er selbst hatte verdammt noch mal ein Recht darauf, von seiner Heldentat zu profitieren.
    Leonids Kehle war mit einem Mal staubtrocken. Plötzlich fiel es ihm schwer, genügend Atem zu schöpfen.
    Ohne die Toten anzusehen, griff er nach der Petroleumlampe, die den Raum erleuchtete, und rannte nach draußen. Wie ein Mann auf der Flucht, denn die Dunkelheit um ihn herum erschien ihm plötzlich sehr bedrohlich. Er brauchte Luft und Licht und das so schnell wie möglich.
    Erst nachdem die eisernen Treppenstiegen hinter ihm lagen, kehrte die alte Ruhe zurück. Geschafft!, durchfuhr es Leonid.
    Ich werde leben. Scheiß auf die Toten.
    Obwohl ihm immer noch übel war, spürte er unbändige Lebensfreude in sich aufsteigen. Er schloss das Schott mit dem Handrad und stieg weiter zur Einkaufspassage hinauf. Die von der Lampe geschaffene Lichtinsel gewann an Durchmesser.
    Mit der Dunkelheit verschwanden auch die Gewissensbisse.
    Leonid blies das Licht aus und kehrte in ganz normalem Tempo ins Bolschoi zurück.
    Im Büro von Hauptmann Judin erstattete er Bericht. In seiner Version des Tathergangs hatte er in Notwehr geschossen und von den sterbenden Plündern einen Hinweis auf das Spasso-Haus erhalten. Das klassizistische Gebäude, das von 1933 bis 2016 als US-Botschaft gedient hatte, war jedem Bewohner von Ramenki aus dem Geschichtsunterricht bekannt.
    Nachdem er Judin die beiden Serumsbeutel des Pärchens ausgehändigt hatte, sprach der ihm höchstes Lob aus. Von diesem Moment an wusste Leonid, dass es keine nähere Untersuchung des Vorfalls geben würde. Ihm war ebenfalls klar, dass Judin beide Beutel heimlich für sich abzweigen würde, so wie Leonid die anderen beiden für sich behielt.
    So verlief in jenen Tagen das Leben in Moska.
    Einige überlebten, andere starben.
    Leonid und Hauptmann gehörte zu denen, die am Leben blieben.
    ***
    Basiliuskathedrale, Ordensburg der Bluttempler
    Konstantin Fedjajewski fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut, als er die beiden vermummten Wachposten am Westeingang der alten Kirche passierte. Groß und drohend ragten die sechs Türme über dem Innenhof auf. Die Bluttempler hatten das alte Gemäuer gut in Schuss gebracht, das musste man ihnen lassen. Sowohl die vier Zwiebelkuppeln als auch die beiden normalen Dächer waren wetterfest abgedichtet und in dunklem Karmesinrot gestrichen, das wie frisch vergossenes Blut schimmerte.
    In den Schatten der umliegenden Bogengänge – und derer gab es viele – zeichneten sich weitere Nosfera ab, allesamt in schwarze Kapuzenmäntel gehüllt, die sie mit ihrer Umgebung verschmelzen ließen. Der regierende Kommissar von Neu-Ramenki spürte ein unangenehmes Prickeln in Nacken, als würden sich die misstrauischen Blicke, die ihn von allen Seiten erreichten, in seine Haut brennen.
    Der drahtige Degenmeister, der sie am Eingang in Empfang genommen hatte, führte die kleine Abordnung mit federnden Schritten zur Hauptkapelle. Der Empfang war korrekt, aber nicht gerade herzlich verlaufen.
    Konstantin Fedjajewski fragte sich wohl gerade zum hundertsten Mal, ob Erzvaters Einladung zu trauen war.
    Angeblich wollte er auf ihren offiziellen Protest antworten, in dem sie die Bestrafung des Mordes auf dem Theaterplatz verlangt hatten. Diese Überraschung galt es immer noch zu verdauen. Bislang hatte es seitens der Nosfera nämlich nicht die geringste Stellungnahme dazu gegeben.
    Doch was, wenn man sie nur herbestellt hatte, um sich ihrer bequem zu entledigen? Stand ihnen dann ein langsames Ende im Blutturm bevor? Würde man sie solange zur Ader lassen, bis sie vor Entkräftung starben? Fedjajewski schauderte bei dieser Vorstellung, doch für eine Umkehr war es längst zu spät.
    Sie mussten jetzt in die Höhle des Taikeepirs, ob sie wollten oder nicht.
    Was Juri Dolgoruki von der ganzen Sache hielt, war nicht zu überhören. »Wir laufen wie Wakudas zur Schlachtbank«, schimpfte er halblaut. »Hier kommen wir niemals wieder raus.«
    »Seien Sie endlich still«, wies Fedjajewski den Ingenieur zurecht. »Die Angelegenheit ist schon schwierig genug,

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