1541 - Ball der Vampire
Ziel erreichen, bevor es hell wurde. Der Meister hatte ihr auf dem telepathischen Weg alles erklärt. Sie musste nur seine Anordnungen befolgen.
Laura kam mit ihrem Wohnmobil gut zurecht. Sie saß darin auch höher als die meisten Fahrer, und so konnte niemand so leicht in das Fahrzeug hineinschauen.
Ihr Ziel lag einsam. Ein Haus, in dem niemand mehr wohnte, das hatte man ihr gesagt. Es stand zum Verkauf, aber es war zu abgelegen und deshalb hatte es noch niemand haben wollen, obwohl es noch im Speckgürtel von London lag.
Es ging in Richtung Westen, wo auch der Flughafen lag, aber den musste sie noch passieren, das hatte man ihr mitgeteilt.
Ihre Gedanken drehten sich um den Beißer. Als er kam, hatte sie sich vor ihm gefürchtet. Jetzt, nachdem er ihr Blut getrunken hatte, das Kostbarste überhaupt, das sie geben konnte, war sie seiner Faszination erlegen. Sie war ihm hörig. Er würde mit ihr alles machen können, was er wollte. Das hatte er schon getan und sie auf den richtigen Weg gebracht.
Sie würde ihn treffen, und sie freute sich darauf. Mit ihm zusammen ein Fest zu feiern war einmalig. Die Gäste würden ihr Blut geben müssen, und sie würde sich sättigen können wie nie zuvor.
Der erste Biss war wichtig. Der erste Trank würde Wunder vollbringen.
Da war sich Laura sicher.
Die Straßen, über die sie fuhr, waren ihr unbekannt. Sie brauchte sie auch nicht zu kennen. In ihrem Kopf steckte ein geistiger Kompass, der sie zu ihrem Ziel führte.
Die nächtlichen Lichter der großen Stadt lagen hinter ihr. Zwar wurde sie noch nicht von der großen Einsamkeit verschluckt, aber es gab kaum noch Verkehr, und als sie in eine Nebenstraße einbog, hatte sie das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein.
Laura spürte, dass sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt war. Sie grinste. Sie leckte über ihre Lippen.
Noch immer war sie nicht umgezogen und trug weiterhin den dünnen Morgenmantel, dessen Stoff sich an einigen Stellen mit Blut vollgesaugt hatte. Dass an ihrer linken Halsseite die Haut von der Bissstelle an ein Stück nach unten hing, störte sie auch nicht. Sie war kein Mensch mehr, und als Blutsaugerin gab es für sie keine normalen Schmerzen.
Der Weg verengte sich. Der Untergrund wurde uneben. Es gab jetzt kleine Schlaglöcher und auch Bodenwellen. Ab und zu sah sie ein einsam stehendes Haus. Hinter den Fenstern gab es kaum Helligkeit, aber sie roch die Menschen, die hinter den Mauern lebten. Oder roch vielmehr ihr Blut.
Sie hätte es gern getrunken, doch die Verbindung zu ihrem Meister war einfach zu stark. Er wollte es nicht. Er verfolgte andere Pläne, die sie befolgen musste.
Dichtes Strauchwerk kratzte an der Karosserie. Immer wieder schwankte der Wagen. Ein kalter Wind jagte die Wolken über den dunklen Himmel.
Ab und zu knallten dicke Regentropfen auf die Windschutzscheibe. Doch die Schauer waren ebenso schnell vorbei, wie sie gekommen waren.
Das Haus war plötzlich da. Der letzte Posten vor der Einsamkeit.
Es hatte seinen Platz nahe einer Wegkreuzung gefunden und wurde von Bäumen bewacht, die ihr Laub längst verloren hatten.
Hätte Laura ein normales Herz gehabt, es hätte geklopft, weil sie so aufgeregt war. Aber sie war kein normaler Mensch mehr, sie sah nur so aus. Sie war die Unperson, die Blut wollte.
Das Haus stand nicht direkt an der Straße. Vielleicht hatte es früher mal einen Weg zu ihm hin gegeben, jetzt nicht mehr. So musste Laura von der Straße abbiegen und über das Gelände schaukeln, bis sie ihr Wohnmobil an der Hausseite parkte.
»Ich bin da!«, kicherte sie. »Ich bin in meiner neuen Heimat angekommen.«
Sie freute sich, dass alles so perfekt gelaufen war. Jetzt konnte es nur noch vorangehen. Alles andere zählte nicht mehr.
Laura stieg aus. Dass sie keine Schuhe an den Füßen trug, interessierte sie nicht. Sie spürte weder Kälte noch Hitze.
Es hatte bereits gefroren, und so klebte das Laub aneinander, durch das Laura ging. Sie schaufelte es mit den Füßen hoch und bewegte sich auf den Eingang zu. Dabei warf sie einen Blick auf die Fassade und stellte fest, dass die Fenster keine Scheiben hatten. Sie gähnten nur als leere Löcher in der Wand.
Der Eingang lag etwas höher. Zwei breite Stufen musste sie hinter sich lassen, um die Tür zu erreichen. In der Dunkelheit hatte sie geschlossen ausgesehen, was nicht stimmte. Beim Nähertreten entdeckte Laura, dass sie nur angelehnt war.
Sie trat ein.
Vor ihr öffnete sich der Bereich des Eingangs. Es gab
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