1544 - Der Monster-Killer
die hier ihr neues Zuhause gefunden hatten, gehörten nicht eben zu den Wohlhabendsten, obwohl die Männer und auch manche Frauen Arbeit hatten. Aber London ist eine verdammt teure Stadt, und das merkten natürlich besonders diejenigen, denen nichts in den Schoß fiel.
Zwei russische Familien wohnten in diesem Haus. Männer, Frauen und Kinder. Sie wohnten auf engstem Raum zusammen, und sogar eine winzige Dachkammer war unter dem Dach bewohnt.
Das allerdings nicht immer, denn dieser Raum war eigentlich für Menschen frei gehalten worden, die krank geworden waren.
Ob der junge Alex richtig krank war, da gingen die Meinungen auseinander. Die meisten Bewohner gingen eher davon aus, dass er besessen war. Und das von einem bösen Geist oder vom Teufel persönlich, denn er bekam immer wieder seine Anfälle. Dann schrie er, dann spie er eine gallenartige Flüssigkeit aus, dann trat Schaum vor seinen Mund, und er brüllte die obszönsten Wörter, die man sich vorstellen konnte.
Das hätten die Menschen noch hingenommen. Schlimm war nur, dass er ihren Glauben verfluchte. Er schimpfte auf Gott, er hasste ihn wie die Pest und beleidigte die Heiligen, während er den Satan in den Himmel hob und ihn verehrte.
Alex war erst zwanzig Jahre alt. Um sich vor ihm zu schützen, hatte man ihn angekettet. Allerdings konnte er sich bewegen, die Kette hing nur an seinem Fuß und war durch einen Stahlring mit der Wand verbunden. So war es ihm nicht möglich, die Tür zu erreichen und aus dem kleinen Raum unter dem Dach zu fliehen.
Alex konnte nur durch ein kleines schräges Fenster nach draußen schauen. In seinen ruhigen Phasen starrte er den Himmel an, dann lag er sogar friedlich auf seinem Bett. Es kam auch hin und wieder vor, dass er aß und zur Toilette geführt wurde. Doch wenn ihn das Böse überkam, drehte er durch. Da war er mehr Tier als Mensch.
Die Russen, die hierher nach London gekommen waren, blieben in der Regel unter sich. So betrat das Haus so gut wie kein Fremder, und wenn es sich nicht vermeiden ließ, dann wurde er ganz sicher nicht nach oben unter das Dach geführt, wo Alex lag.
Er war ein Problem der beiden Familien, die alles versucht hatten, um ihn wieder normal werden zu lassen. Es hatte nichts geholfen. Er hatte zwei Holzkreuze mit einer schon übermenschlichen Kraft zerbrochen, er hatte Kreuze angespien, er hatte sie verflucht, und geweihtes Wasser hatte auf seiner Haut Blasen hinterlassen.
»Er ist wahrlich vom Satan besessen!«, hatte der herbeigerufene Pope den Menschen gesagt und sich abgewandt.
Dennoch hatte man ihn immer wieder um Rat gefragt. Man drängte ihn zu einem Versuch der Teufelsaustreibung, aber der Pope hatte sich nicht zuständig gefühlt.
»Ich bin zu schwach!«
So hatte seine Antwort gelautet, aber er hatte trotzdem nicht aufgeben wollen und den Verwandten geraten, abzuwarten, bis der Himmel ein Zeichen schickte.
Keiner wusste, wie dieses Zeichen aussehen konnte. Die Mutter des jungen Alex verzweifelte immer mehr. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie nicht besser auf ihren Jungen aufgepasst hatte. Er war in schlechte Gesellschaft geraten. Er hatte sich einer Gruppe angeschlossen, die den Teufel anbetete.
Was da genau passiert war, darüber hatte Alex geschwiegen. Nur seelisch war er nicht in der Lage gewesen, das Erlebte zu verkraften. Er war wirklich zu einem anderen Menschen geworden, der Hilfe brauchte.
Jemand musste ihm das Erbe des Teufels aus dem Leib treiben, aber der Pope war zu schwach.
Und so blieb Alex oben unter dem Dach liegen. Er selbst wartete nicht auf seine Erlösung. Das taten seine Verwandten, die beteten und die Hoffnung nicht aufgeben wollten.
Hinzu kamen die Vorwürfe, ihre Heimat verlassen zu haben. Doch sie wollten ein anderes und besseres Leben beginnen, und die Chance hatten sie nur in London gesehen.
Die Russen glaubten an ein Wunder, aber dieser Glaube wurde immer schwächer.
Bis eines Abends plötzlich der Pope wieder erschien. Er stand vor der Tür, wurde eingelassen und versammelte später die Erwachsenen um sich herum. Ihnen erklärte er, dass es einen Menschen gab, der die Lösung bringen konnte.
»Wer ist es?«
»Ein Mönch.«
»Aus unserer Heimat?«
»Ja.«
»Und wie heißt er?«
»Igor Rankin.«
Mit diesem Namen konnte niemand etwas anfangen, aber das war auch nicht wichtig. Es zählte nur, dass Rankin zu den frommen Klosterbrüdern gehörte.
Der Pope erklärte ihnen auch, dass Rankin, der bei ihm ein Zuhause gefunden hatte, im Dienste
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