1547 - Adel vernichtet
sind etwas Besonderes. Und wenn ich spurlos gesagt habe, dann ändert sich daran nichts mehr.«
Dinah Cameron wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Dieses verdammte Haus war zu einer Todesfalle geworden. Aus eigener Kraft kam sie nicht mehr davon, und sie dachte daran, dass sie sich auf den Tod vorbereiten musste.
Der Marquis und seine Frau saugten einen letzten Zug aus den Glimmstängeln. Dann drückten sie die Reste im Aschenbecher aus.
Dinah starrte dabei fasziniert auf die Hand des Mannes. Sie hatte sich verändert, und zwar nicht von der Form her - die Finger waren noch alle vorhanden. Dafür war etwas anderes passiert. Die Haut sah nicht mehr so aus wie vorher. Sie hatte eine andere Farbe angenommen und war grau geworden.
Es wurde nicht gesprochen, und so hatte Dinah die Gelegenheit, weiterhin die Hand zu beobachten, die der Marquis nicht mehr zurückzog. Er ließ sie in der Nähe des Aschers auf dem Tisch liegen, damit sie von Dinah weiterhin betrachtet werden konnte.
Etwas Unwahrscheinliches geschah.
Die Haut wollte nicht mehr länger am Finger bleiben. Sie hatte auch keine Spannkraft mehr, begann zu trocknen und fiel schließlich ab.
»Nein!«, keuchte Dinah.
Der Marquis lachte nur. Er hob seine Hand an und stemmte dabei den Ellbogen auf den Tisch.
Was Dinah zu sehen bekam, war keine normale Hand mehr, sondern eine blanke Knochenklaue…
***
Eigentlich hatte sie nicht geglaubt, dass es nach diesem schrecklichen Mahl noch eine Steigerung geben könnte, doch jetzt wurde sie eines Besseren belehrt. Sie konnte es einfach nicht begreifen. Tatsache aber blieb die Knochenklaue, deren Finger der Adlige leicht bewegte, als wollte er nach irgendetwas greifen.
»Wir müssen uns wieder regenerieren«, erklärte er. »Es geht schon los, und es wird noch weiter gehen. Wir haben sehr schnell gegessen, der Abend hat erst begonnen und er wird in die Nacht übergehen. Wir werden uns dann wieder treffen.«
Dinah schüttelte den Kopf. Sie wollte etwas sagen, konnte es aber nicht.
Ihr Blick war auf die Klaue gerichtet, die sie nahezu hypnotisierte. In ihrem Kopf war alles leer, und trotzdem verspürte sie die Stiche, denen sie nicht entkommen konnte.
De Geaubel grinste sie an. Und sie sah, dass sich auch in seinem Gesicht etwas verändert hatte. Da war die Haut zwar noch vorhanden, aber sie schien dünner geworden zu sein und gab dem Gesicht einen gespannten Ausdruck.
Nicht nur bei ihm war es der Fall, auch bei der Frau und dem Sohn, der ein leises Stöhnen abgab und mit seinen Händen durch das Gesicht strich.
»Kommen Sie, Madam.«
Dinah zog den Kopf ein, als sie hinter sich die weiche Stimme des Butlers hörte. »Es ist besser für Sie, Dinah. Sie werden noch früh genug erleben, was hier geschehen wird. Und ich verspreche Ihnen, dass es schnell gehen wird.«
Die Journalistin hatte alles gehört und auch verstanden. Ihr fehlte der Antrieb, um sich von ihrem Platz erheben zu können. Es war alles zu einer grauenvollen Farce geworden. Das konnte nicht die Wirklichkeit sein, wie die Marquise de Geaubel plötzlich ein Stück Haut von ihrem Kinn abzog und es zwischen ihren noch normalen Händen zerrieb.
»Nein, nein…«
»Bitte, machen Sie es sich nicht noch schlimmer. Kommen Sie mit mir.«
Der Butler hätte die Bitte unzählige Male wiederholen können, es hätte nichts genutzt. Dinah Cameron fand einfach nicht die Kraft, aufzustehen, und das merkte auch der Butler.
Er griff in ihre Achselhöhlen und zog sie in die Höhe. Mit dem Fuß schob er den Stuhl zur Seite, damit sie mehr Platz hatte. Aber er merkte schnell, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte, und so musste er sie weiterhin stützen.
Er drehte Dinah herum.
Aus ihrem Mund drangen unartikulierte Laute. Sie schaffte es auch nicht, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Clarence hätte sie auch hinter sich her schleifen können. Das wollte er nicht, und so hob er sie an und wuchtete den Körper über seine linke Schulter.
»Pass gut auf sie auf!«, rief ihm die Marquise noch nach. »Du weißt, dass sie sehr wichtig ist.«
»Ja, Madame, das weiß ich…«
***
Dinah Cameron bekam nichts mehr mit. Sie wusste auch nicht, wohin sie gebracht wurde. Sie lag auf der Schulter des Butlers und wippte bei jedem Schritt auf und nieder. Trotz ihres Zustands stellte sie fest, dass sie das Haus nicht verließen. Sie gingen nur woanders hin, und sie hörte, wie der Butler eine Tür öffnete.
Ein kühler Raum empfing sie und eine Dunkelheit, die
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