1547 - Adel vernichtet
Dinah an die tiefe Nacht erinnerte. Dann merkte sie, dass sie fiel, zumindest rutschte sie von der Schulter des Butlers und landete nicht auf dem Boden, sondern auf etwas Weichem.
Mehr geschah nicht. Der Butler entfernte sich, und Dinah hörte noch, wie er die Tür abschloss.
In den folgenden Minuten lag sie rücklings auf der weichen Unterlage und dachte an nichts. Ihr Kopf war leer, aber das konnte nicht einfach so bleiben. Ihre Gedanken kehrten zurück und damit auch die Erinnerungen.
Entsprach das wirklich alles den Tatsachen, was sie bei den de Geaubels erlebt hatte?
Ja, es war die schlimme Wahrheit, und sie konnte sich auch nicht aus ihr herausträumen. Man hatte sie nicht freigelassen. Jetzt wurde sie behandelt wie eine Gefangene, und nicht nur wie eine Gefangene, sie war ein Opfer. Und sie konnte nichts daran ändern.
Die Dunkelheit war fast vollkommen. Fenster gab es in diesem Raum nicht. Die einzige Helligkeit war ein grauer Streifen, der sich unter der Tür abzeichnete. Als Hoffnungsschimmer sah sie ihn jedoch nicht an.
Dinah war erschöpft, aber nicht verletzt. Man hatte sie nicht geschlagen, dafür war sie auf eine andere Weise gedemütigt worden. Man hatte sie psychisch fertiggemacht, und sie wusste, dass ihr das Schlimmste noch bevorstand, wobei ihr wieder das Märchen Hansel und Gretel in den Sinn kam.
Das sorgte bei Dinah für einen Adrenalinstoß, der sie in die Höhe trieb.
Sie setzte sich hin!
Ihr Gesicht zeigte einen angespannten Ausdruck. Sie hatte zudem das Gefühl, als würde ihre Haut brennen, und sie drehte einige Male den Kopf, aber es änderte sich nichts. Es war einfach kein Ausweg in Sicht.
Sie saß auf dem Bett und fühlte, dass ihre Anspannung sank und eine große Leere sie überkam.
Die verdammte adlige Familie hatte ihr eine Falle gestellt, und sie war blauäugig hineingetappt. Das wäre jeder andere Mensch auch. Wer hätte denn wissen können, dass der Besuch so enden würde und die de Geaubels Menschen waren, die…
Ihre Gedanken brachen ab. Ja, was waren sie eigentlich? Noch Menschen - oder war dies nur Tarnung?
Sie glaubte nicht daran. Sie hatte genau gesehen, was mit diesem Henri de Geaubel passiert war. Seine Haut war von der Hand abgefallen wie altes Papier. Als Staub hatte sie die Reste auf die Tischplatte rieseln sehen.
Dinah wusste nicht, wie es in ihrer Umgebung aussah. Sie wollte es aber wissen, und sie ging davon aus, dass es in diesem Raum auch Licht gab. Wo sich die Tür befand, war gut zu sehen. Da wies ihr der graue Streifen den Weg.
Auf ihn ging sie zu und hatte dabei die Arme vorgestreckt, um Hindernisse zu ertasten. Aber es standen keine im Weg, und so erreichte sie problemlos die Tür.
Der erste Griff galt der Klinke. Sie hatte gehört, dass die Tür abgeschlossen worden war, aber sie wollte sich davon selbst überzeugen, drückte die Klinke nach unten und lachte enttäuscht auf, als sie merkte, dass sie nicht zu öffnen war.
Dinah verfiel nicht in Trauer. Sie fuhr mit ihren flachen Händen an den Seiten der Tür entlang und verspürte einen kleinen Strom der Freude, als sie den Lichtschalter ertastete.
Ein kurzer Druck reichte aus.
Unter der Decke wurde eine Lampe hell. Eine Schalenleuchte, die von einem leicht gekrümmten Holzarm gehalten wurde.
Licht bedeutet Hoffnung, das war auch in ihrem Fall so.
Augenblicklich fühlte sie sich besser. Jetzt konnte sie wenigstens sehen, wo sie sich befand. Zuerst fiel ihr auf, dass der Raum keine Fenster hatte. Er wurde als Abstellkammer benutzt. Sie sah darin alte Möbelstücke, die zum Teil zerbrochen waren. Ein kleiner Tisch mit grüner Steinplatte stand in einer Ecke, und alte Matratzen schimmelten vor sich hin.
Auf einer hatte sie gelegen, und die gehörte zu einem Metallbett, in das die Matratze genau hineinpasste. Zwei andere Bettgestelle standen hochkant an der Wand. Die Sprungfedern wurden von einem Metallrahmen gehalten.
Das war alles. Es gab nichts mehr, das in ihr einen Schimmer der Hoffnung hätte aufblitzen lassen. Aber sie wollte auch nicht in Selbstmitleid zerfließen.
Dinah nahm sich vor, sich zu wehren. Leicht würde sie es der anderen Seite nicht machen. Nicht umsonst galt sie als eine toughe Frau, die bisher im Leben immer gut zurechtgekommen war.
Wenn möglich, wollte sie es auch hier beweisen.
Irgendwann würde sie geholt werden. Den Zeitpunk hatte man ihr nicht genannt. Und was würde dann mit ihr geschehen?
Diese Frage bedrückte und quälte sie. Wenn sie an das Essen
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