1547 - Adel vernichtet
Sie hatte zudem die Stimme erkannt. Sie gehörte Eric, dem Sohn, der am Tisch die meiste Zeit über geschwiegen hatte.
»He, ich habe dich etwas gefragt!«
Jetzt antwortete Dinah. »Ja, ich bin noch da. Wo hätte ich denn sonst sein sollen?«
Eric fing an zu kichern. »Sehr schön, wirklich sehr schön. Das ist perfekt. So haben wir es haben wollen.«
Die Journalistin dachte nicht näher über die Worte nach, sie wollte selbst die Initiative übernehmen und fragte, wobei sie sich bemühte, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben: »Was willst du?«
Diesmal bestand die Antwort zunächst aus einem Kichern.
»Ich will dich, meine Schöne«, flüsterte er dann. »Ich will dich.«
Dinah überlegte blitzschnell. Dabei überschlugen sich ihre Gedanken.
Und noch während sie nachdachte, reifte ein Plan in ihrem Kopf, den sie auch aussprach.
»Gut, du kannst mich haben. Ehrlich, Eric. Du musst nur die Tür öffnen, dann können wir das Haus gemeinsam verlassen und irgendwohin fahren, wo es einsam ist und es nur uns beide gibt. Ich denke, dass wir viel Spaß miteinander haben werden.«
Schweigen.
Dinah schluckte. Hatte Eric sie nicht verstanden?
Nach einer Weile fragte sie: »Hast du mich nicht gehört?«
»Doch.«
Sie war froh, wieder Kontakt mit ihm zu haben, und fragte: »Was hältst du davon?«
»Ich will dich.«
»Ja, du kannst mich ja bekommen.«
Er lachte und sagte dann etwas, das die Journalistin seelisch umwarf.
»Ich will alles von dir, Dinah, wirklich alles. Mein Vater hat mir etwas versprochen.«
»Und was?«
»Dein Herz!«
***
Schlagartig war es vorbei mit ihrem Optimismus, der vorhin aufgekeimt war. Sie konnte nichts mehr sagen. Alles in ihr war verkrampft, und sie presste die Lippen hart zusammen. Sie hatte das Gefühl, zu schwer für die eigenen Beine zu sein, und es kam ihr vor, als würde sich der Raum um sie herum drehen. »He, du bist noch da?«
Dinah gab die Antwort als Stöhnen. Reden konnte sie nicht, und ihr fielen auch nicht die richtigen Worte ein. Die Antwort hatte sie geschockt, sodass sie zunächst ihren Schwindel in den Griff bekommen musste. An der Tür fand sie Halt.
»Ja, dein Herz. Ich freue mich darauf. Es ist mir versprochen worden, und es wird mir besonders munden…«
»Hör auf!«, schrie Dinah. »Hör doch auf damit, verdammt noch mal.« Sie lief auf die Tür zu und drosch mit beiden Fäusten dagegen, und das so hart, als wollte sie sie zertrümmern.
Dahinter hatte Eric seinen Spaß. Er lachte. Er geilte sich an seiner Vorfreude auf und sprach in ihr Hämmern hinein.
Sie wollte nichts hören, und irgendwann rutschte sie ab und fiel auf die Knie. Ihr Kopf sank nach vorn. Bitterkeit und Furcht stiegen in ihr hoch, und sie schaffte es nicht, ihre Tränen zurückzuhalten.
Dinah Camerons Zustand veränderte sich immer wieder. Es gab Minuten, da glaubte sie, verrückt werden zu müssen. Doch dann erholte sie sich wieder und richtete sich auf.
Im Moment war es still, doch sie glaubte nicht, dass Eric verschwunden war, denn so leicht gab jemand wie er nicht auf.
Dinah lehnte sich gegen die Tür. Durch heftiges Ein- und Ausatmen schaffte sie es, wieder Ruhe zu finden, und das war auch wichtig. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen und musste die Nerven behalten, so schwer es ihr auch fiel.
Dabei dachte sie an Eric.
Sie sah ihn vor sich. Er war ihr verstockt oder sogar leicht frustriert erschienen. Er ein stiller junger Mann, der im Schatten oder unter der Knute seiner Eltern lebte.
Ihre Meinung hatte sie jetzt revidiert. Das war er alles nicht. Er war ein Kind seiner Eltern und um keinen Deut besser als sie. Nur war das nicht das Problem. Sie kam einfach nicht darüber hinweg, bei Henri de Geaubel eine Knochenklaue gesehen zu haben. Das wollte ihr nicht in den Kopf. Dafür gab es keine normale Erklärung.
Entweder war jemand ein Mensch oder ein Skelett.
Bisher hatte sie das geglaubt, nun dachte sie anders darüber.
Hier gab es so etwas wie ein Mittelding. Mal Mensch, mal Skelett. Oder ein Skelett, das sich wie ein Mensch benahm.
Ihr kam so vieles in den Sinn, aber ihre Gedanken drehten sich im Kreis.
Zu einer glaubhaften Erklärung reichte es nicht. Dinah war so weit, dass sie alle Logik über Bord werfen musste.
Auch rechnete sie damit, dass Eric verschwunden war, weil er sie nur auf das Ende hatte vorbereiten wollen. Da sah sie sich getäuscht, denn Eric hatte sich nicht verzogen. Sie hörte ihn kichern, und danach schlug er gegen die Tür.
»Na, hast du
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