1549 - Der steinerne Engel
genug aus der Spur tanzen wollte. Aber Luc war ein geschickter und guter Fahrer, der den Jeep immer wieder in die richtige Spur brachte.
Sie atmeten auf, als sie die schmale Passage hinter sich gelassen hatten und sich die Welt hier oben ihrem Blick öffnete, sodass die drei Felsen sehr gut zu sehen waren, denn sie zeichneten sich deutlich in der klaren Luft ab.
Godwin hätte sie einfach nur bestaunen müssen, so tat es jeder Fremde, aber er wunderte sich über etwas anderes.
Links von ihnen sah er den Beginn eines Weges, und er konnte auch erkennen, dass dieser in Serpentinen abwärts führte.
»He, wo geht es denn da hin?«
»Ins Tal und nach Porte, wo wir übernachten werden.«
»Und die Leute dort sind auf alles vorbereitet?«
»Davon kannst du ausgehen.«
»Wollen wir hoffen, dass der Engel immer noch aus Stein ist.«
»Ich befürchte eher das Gegenteil. Seine Zeit ist jetzt wieder mal vorbei.« Der Mönch saugte scharf die Luft ein. »Und da bleibt uns nichts anderes als zu hoffen, dass wir nicht zu spät kommen.«
Godwin zeigte seinen Optimismus.
»Ich gehe mal davon aus, dass es noch nicht so weit ist. Was werden wir dann tun? Davor stehen bleiben und ihn einfach nur anstaunen?«
»Nein.«
»Sondern?«
»Sein Fluch muss gebrochen werden.« Luc hatte mit harter Stimme gesprochen. »Er darf einfach nicht mehr erwachen und seine Untaten begehen. Das ist es doch, was wir wollen.«
»Kannst du mir sagen, wie du das anstellen willst?«
»Du hast doch die Werkzeuge auf der Rückbank gesehen.«
»Nein, habe ich nicht. Hast du sie dort unter der Decke versteckt?«
»Ja.«
»Und das ist unsere Chance?«
»Zumindest ist es einen Versuch wert.«
Das Gespräch schlief wieder ein. Godwin sah auch, dass sie den Jeep bald anhalten und verlassen mussten, denn das Gelände wurde immer unwegsamer. Steine, manche schon ausgewachsene Felsbrocken, bildeten Hindernisse, die der Wagen nicht mehr schaffte.
Luc Domain hielt an.
»Endstation«, sagte er.
»Kann man nichts machen.«
»Du bist doch gut zu Fuß, Godwin.«
»Das wird sich herausstellen.« Zugleich mit dem Mönch verließ der Templer den Wagen.
Sofort spürten sie den steifen und kalten Wind, der über sie herfiel. Hier gab es nichts, was ihn aufhalten konnte.
Godwin schaute die drei Felsen an, die ihr Ziel waren.
Erinnerungen an die Kathedrale der Angst kamen ihm in den Sinn. Doch diese Felsen hier bildeten keine kompakte Masse. Sie standen nebeneinander und zugleich ein wenig versetzt, sodass es genügend breite Zwischenräume gab.
Obwohl er und Luc Domain eine gute Sicht hatten, war von einem steinernen Engel nichts zu sehen. Das würde sich ändern, wenn sie näher herangekommen waren, so hoffte er.
Godwin setzte seine Kappe aus weichem Flies auf. Sie hatte Ohrenklappen, die er jetzt brauchte, und als Luc, der schon vorangegangen war, winkte, setzte er sich ebenfalls in Bewegung.
Es war kein ebener Weg. Selbst für die kurze Entfernung mussten die beiden aufgrund des Geländes eine dreifache Zeit einkalkulieren.
Die Widrigkeiten nahmen zu. Die Steine wuchsen zu kleinen Felsen empor, die umgangen und teilweise überklettert werden mussten, um weiter die Richtung beibehalten zu können.
So kamen sie langsam den drei Felsen näher. Der Untergrund änderte sich. Er war nicht mehr mit diesen großen Felsbrocken bedeckt. Jetzt war ein fast normales Gehen möglich.
Still war es nicht in ihrer Umgebung. Der Wind bewies ihnen, dass er noch vorhanden war. Sie hörten sein Jaulen, das von den drei Felsen her zu ihnen getragen wurde und in ihren Ohren einen Widerhall fand.
Der Himmel war klar geblieben, und in ihn ragten die Felsen vor ihnen empor wie drei Türme.
Nebeneinander waren die beiden Männer stehen geblieben.
Der Mönch fuhr über sein gerötetes Gesicht und nickte.
»Ja«, sagte er mit leiser Stimme, »hier sind wir richtig.«
»Wunderbar, Luc. Jetzt musst du mir nur noch sagen, wo wir den Engel finden können.«
»Komm mit.«
Godwin wunderte sich über die plötzliche Forschheit des Mönches.
Luc Domain ging offensichtlich davon aus, dass dieses steinerne Abbild tatsächlich noch vorhanden war, und er tat so, als wäre er allein. Für Godwin hatte er keine Augen mehr. Bevor sich der Templer versah, war Luc hinter dem Felsen verschwunden.
Godwin folgte ihm.
Der Wind trug ein Geräusch an seine Ohren, das ihn warnte, weil es sich wie ein leiser Schrei angehört hatte.
Er beeilte sich, hinter den Felsen zu gelangen, der ihm
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