1549 - Der steinerne Engel
her, und der Mönch war sehr schweigsam. Godwin kannte den Grund. Er stellte auch keine weiteren Fragen mehr. Doch er dachte darüber nach, wie es möglich war, dass ein im Alten Testament aufgeschriebener Vorgang bis in diese Zeit hinein seine Gültigkeit haben konnte. Damit hatte er Probleme.
Erst als sie den Jeep erreicht hatten, schaute Luc Domain wieder zurück.
Sein Gesicht war blass geworden, und er flüsterte vor sich hin: »Wir werden den Leuten raten, Gebete zu sprechen. Ich weiß nicht, ob sie helfen, aber sie senden zumindest eine geistige Energie aus, die vielleicht dieses Wesen erreicht, damit es spürt, dass es noch etwas anderes gibt als den Tod.«
»Nicht schlecht gedacht, mein Freund. Und ich hoffe, dass wir auch noch den Rest erledigen können.«
»Ja, das hoffe ich auch…«
***
Hinter dem Haus lag der Stall. Es war nur ein einfacher Verschlag, aber für Joaquim reichte er, denn dort wurde das Werkzeug aufbewahrt, das er brauchte.
Dieses Werkzeug Wollte er nun zweckentfremden. So, dass es zu einer tödlichen Waffe wurde.
Er ließ die Tür hinter sich offen. Ab und zu wurde sie von einem Windstoß erfasst und leicht geschüttelt. Das störte ihn nicht. Im von außen hereinfallenden Licht schaute er sich um und lächelte hart, als er fand, was er gesucht hatte.
Es war das Messer mit der leicht krummen Klinge, die in ihrer Form an eine Sense erinnerte. Er nahm es von einem Regal und umschloss dabei den Holzgriff.
Er war ausersehen worden. Vor fünfundzwanzig Jahren war es sein Vater gewesen, und nun hatte man ihm die Aufgabe übertragen. Das wusste jeder im Ort.
Und jeder, der für die Aufgabe hätte infrage kommen können, war froh, dass er nicht zu gehen brauchte. Dieses Schicksal lastete auf der Familie Moreno.
Joaquim war genau dreißig Jahre alt. Seine Frau war fünf Jahre jünger, der kleine Manuel drei Jahre. Ein Junge, ein Erstgeborener, auf den der Todesengel so scharf war.
Wenn er ihn nicht stoppte, dann hatte sein Sohn keine Chance.
Aber es ging nicht nur um ihn. Es gab im Ort noch zwei weitere Jungen in Manuels Alter.
Alles lag so lange zurück. Leider deckte die Zeit nicht alles zu. Aber jetzt kehrte es offenbar zurück, womit niemand mehr gerechnet hatte.
Deshalb waren die Menschen so überrascht.
Jetzt kam es auf ihn an und darauf, dass er das richtige tat. Er hatte es seinem Vater versprochen, und dieses Versprechen musste er auch den anderen Bewohnern gegenüber einhalten.
Das sensenartige Messer hatte in einer Lederscheide gesteckt. Deshalb war seine Klinge auch blank geblieben. Mit dem Daumen prüfte er die Schneide und nickte zufrieden, als er sie scharf genug fand.
Er würde nur einen Schnitt brauchen, um das Monster zu töten. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Joaquim überlegte, ob er noch eine andere Waffe mitnehmen sollte. Er hätte sich auch noch eine Spitzhacke über die Schulter legen können.
Davon nahm er Abstand. Ein Messer reichte, denn so war es auch früher gewesen.
Er verließ den Stall und trat ins Freie, auch hinein in die Kälte, die hier im tiefen Tal nicht so schneidend war wie auf den Höhen.
Manche Bewohner waren der Meinung, dass es in Porte nie richtig hell werden würde. Selbst im Sommer war es recht kühl, was die Menschen dann wieder als positiv empfanden.
Zwischen Haus und Stall hatten die Morenos einen kleinen Garten angelegt. Zu dieser Jahreszeit sah er sehr trist aus, aber im Sommer war er mit seiner Blütenpracht der Stolz seiner Frau.
Joaquim wollte am Haus vorbeigehen, um die Straße zu erreichen, da sah er hinter einem Fenster das Gesicht seines Vaters. Es malte sich dicht hinter der Scheibe ab, und er sah auch, dass sein alter Herr nickte, bevor er nach dem Fenstergriff fasste und ihn drehte.
Joaquim blieb stehen. In seinem Gesicht bewegte sich nichts. Sein Vater schaute ihn aus bewegungslosen Augen an, aber um seine Lippen spielte ein Lächeln.
»Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.«
»Danke.«
»Alle hier im Ort können stolz auf dich sein.«
»Und wie war es damals?« Er schnitt das Thema nur ungern an, weil er wusste, dass sein Vater nicht gern darüber redete. »Ist man damals nicht auch stolz auf dich gewesen, als du den Weg gegangen bist, den ich heute auf mich nehme?«
Der alte Mann senkte den Blick. Tränenwasser stieg in seine Augen. Er schüttelte den Kopf, musste sich erst fassen und wischte über seine Augen.
»Bitte, Vater.«
»Du weißt, dass ich versagt habe. Dem Todesengel ist es damals
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