155 - Der Teufelsrocker
verließ, haben Sie doch ein Auge riskiert«, sagte ich.
»Und da sah ich dann diesen Kerl, den ich nicht begreifen konnte«, flüsterte Bloom. »Ich schrieb es dem Alkohol zu. Das glaubt mir niemand, sagte ich mir und schloß hastig die Tür. Ich bin froh, daß der merkwürdige Kerl mich nicht gesehen hat. Leuchtende Kristallaugen in einem grauen Mumiengesicht, mit riesigen Krebszangen. Hätten Sie die Polizei angerufen, wenn Sie an meiner Stelle gewesen wären? Daß dieses… Ungeheuer meine Nachbarin ermordet hatte, wußte ich nicht.«
Ich nickte finster. »Sie haben recht, Mr. Bloom, ich hätte auch nicht angerufen.«
Als ich wenig später in meinen Rover stieg, schnarrte das Autotelefon. Ich krallte mir den Hörer und meldete mich.
»Vergiß meine Warnung nicht!« knurrte Rufus in mein Ohr, so laut, daß ich meinte, er müsse ganz in der Nähe sein.
Ich ließ den Hörer fallen und sprang aus dem Wagen, doch von meinem Erzfeind entdeckte ich keine Spur.
***
Dr. Boris Fabares wusch sich die Hände. Der letzte Patient war gegangen. Feierabend. Fabares, ein Mann reiferen Alters, aber dennoch immer noch gutaussehend, zog seinen weißen Kittel aus und schlüpfte in sein Jackett. Er hatte versprochen, auf dem -Heimweg noch bei zwei Kranken vorbeizuschauen, aber dann war endgültig Schluß für heute.
Die Praxis war wieder einmal übergequollen. Vom verstauchten Finger bis zur gereizten Gallenblase hatte die Krankheitspalette gereicht, und nun war Fabares müde.
Die Sprechstundenhilfe öffnete die Tür. »Brauchen Sie mich noch?« fragte sie, eine nichtssagende, jedoch äußerst tüchtige Person.
»Nein«, antwortete Dr. Fabares. »Vielen Dank, Miß Blane, Sie können gehen.«
»Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend, Dr. Fabares.«
»Wünsche ich Ihnen auch. Und noch etwas, Miß Blane: Ich hätte das heute ohne Ihre tatkräftige Unterstützung und Ihr umsichtiges Organisationstalent nicht geschafft.«
Die Sprechstundenhilfe errötete und senkte den Blick. »Sie kennen meine Einstellung. Einen Job erledigt man entweder ganz oder gar nicht.« Sie zog sich zurück.
Fabares setzte sich an seinen Schreibtisch, machte sich Notizen, legte den Kugelschreiber weg und wollte aufstehen, als sich die gepolsterte Tür öffnete.
Er dachte, Miß Blane hätte etwas vergessen. Sie himmelte ihn an, das wußte er, und er hätte sie glücklich gemacht, wenn er sie einmal gefragt hätte, ob sie mit ihm ausgehen würde, aber er hielt nichts von solchen Dingen am Arbeitsplatz, und da Miß Blane zwar von ihm geschätzt wurde, aber nicht sein Typ war, fiel es ihm nicht schwer, sich an diesen Grundsatz auch zu halten.
»Ja, Miß Blane?« sagte er und richtete den Blick auf die Tür.
Doch nicht die Sprechstundenhilfe trat ein, sondern Shelley Robinson.
Seit sie denken konnte, war Dr. Fabares der Hausarzt der Robinsons, und da er und ihr Vater darüber hinaus auch Freunde waren, hatte sie den Arzt als Kind Onkel Boris genannt. Heute, als junge Dame, durfte sie ihn nur noch Boris nennen.
»Komme ich ungelegen, Boris?« fragte sie zaghaft. Sie schien etwas auf dem Herzen zu haben.
Fabares stand auf und ging ihr entge, gen. Er streckte ihr herzlich beide Hände entgegen und sagte, er freue sich, sie zu sehen, »Wie war es im Himalayagebirge?«
»Anstrengend.«
»Du scheinst die Strapazen gut überwunden zu haben. Und wie geht es deinem Vater? Er jagte doch diesem Hirngespinst nach. Hat er nun gefunden, was er suchte, oder nicht?«
»Er hat.«
»Na, dann hat ja jetzt seine arme Seele endlich Ruhe«, sagte der Arzt »Habt ihr auch den Schneemenschen gesehen?«
»Yeti? Nein, der ließ sich zum Glück nicht blicken.«
»Du kommst doch nicht als Patient zu mir.«
»Nein«, antwortete das blonde Mädchen. »Ich bin soweit in Ordnung.«
»Trinken wir was zusammen?« fragte Dr. Fabares.
»Gern.«
Sie gingen in das Lokal an der Ecke, wo Shelley von der Reise nach Tibet erzählen mußte.
»Dein Vater macht es richtig«, sagte der Arzt. »Manchmal beneide ich ihn. Er sieht sich die Welt an, während ich kaum mal aus London rauskomme. Vielleicht habe ich mich für den falschen Beruf entschieden.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Shelley. »Niemand eignet sich dafür besser als du.«
»Paul hat sich also den geheimnisumwitterten Kristall, von dem er immer phantasierte, geholt«, sagte Boris Fabares. »Und was nun? Ist er glücklich und zufrieden?«
»Stundenlang brütet er über seinen Büchern und will nicht gestört
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