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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uhl Hannes
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bis sich endlich ein Loch in der zweiten Scheibe auftut.
    Das Fluchtloch ist klein. Die Menschen zwängen sich irgendwie durch, werden geschoben, gedrückt und gezogen, bis sie aus dem Zug fallen. Maximilian Steiner zwängt sich als Dritter durch. Knapp zuvor blickt er noch einmal hinunter zur Führerkabine und sieht, wie sich die Sichtfenster durch die Hitze bereits verformen. Und er sieht, wie die Flammen in seinem Abteil bis zu den Fensterscheiben hochzüngeln. Die Türen der Abteile sind noch immer geschlossen, auch das sieht er.
    Steiner stürzt aus dem Zug. Er spürt die Hitze im Tunnel und hört das tosende Feuer. Er sieht, dass auch in den Kabinen über ihm Fenster eingeschlagen sind und sich Menschen herauszwängen.Einer aus seiner Vilsecker Skigruppe schreit: »Nach unten laufen! Nach unten!«
    Steiner erkennt die Stimme, es ist Hubert Schmid, der Feuerwehrmann im Skiclub. Er weiß, dass die Rauchgase in so einem Tunnel wie in einem Kamin nach oben ziehen und motiviert die Menschen, Richtung Brandherd zu laufen. Zum Glück ist auf jener Seite, wo sie aus dem Zug herausstürzen, vom Feuer wenig zu sehen. Auf der ihnen abgewandten Seite brennt die Führerkabine schon lichterloh.
    Im Zug verliert eine Frau das Bewusstsein, bis sie ihr Mann rüttelt.
    »Ich muss hier raus«, sagt sie mit einem Wimmern in der Stimme, als sie wieder zu sich kommt. Ihr Anorak hat Brandlöcher. Sie zwängt sich durch das unterste Loch und bleibt mit dem Skischuh hängen. Ein Mann, der weiter oben aus dem Zug gekommen ist und gerade nach unten rutscht, sieht sie kopfüber hängen und befreit sie. »Schnell, wir müssen runter!«, ruft er ihr zu.
    Sie taumeln, stolpern und rutschen irgendwie nach unten, zwischen Rädern, Gleiskörpern, Strom- und Abwasserrohren, bis sie unterhalb des Zuges und des Brandes zu liegen kommen.
    Zwölf Menschen hasten gerade nach unten, weg vom Zug. Im Lichtschein des Feuers erblicken sie die verzinkte Treppe an der Tunnelwand. Sie hangeln sich hoch, um nach unten zu laufen, so gut es eben geht, verängstigt, verletzt und mit schweren Skischuhen an den Beinen. Sie drehen sich noch einmal um, nur zehn Meter vom Zug entfernt. Auf der linken Seite können sie die Konturen des Zuges ausmachen. Auf der rechten Seite ist nur noch das Feuer zu sehen, wie es an die Tunneldecke schlägt und sich vom steten Luftstrom im Tunnel nährt.
    Eine Frau aus der Vilsecker Skigruppe ist die Letzte, die es auf die Treppe unterhalb des brennenden Zuges schafft. Vor ihr laufen und fallen die anderen elf Skifahrer nach unten. Ein winzig kleiner Lichtpunkt, der Tunnelausgang, in mehr als 500 Meter Entfernungist ihr Ziel. Die Führerkabine steht jetzt in Vollbrand und befeuert alles, was über ihr ist, wie der Schwefelkopf eines Streichholzes. Die Frau spürt den Luftzug im Tunnel, der dem Feuer massenhaft Sauerstoff liefert. Durch diese Feuerwand kommt niemand mehr durch, denkt sie, aber es sind noch so viele Menschen im Zug.
    Auf einmal sprühen zwischen den Gleisen Funken vom Zug nach unten und wieder hoch. Im nächsten Moment eine Explosion, ein Knall, ein Feuerball, und die Flüchtenden hören Menschen schreien. Es sind diejenigen, die es nicht nach unten geschafft haben.
    Die Flüchtenden wagen es in ihrer Angst kaum, sich umzudrehen. Zu groß ist die Angst, dass der Zug ins Tal rast und alle mitreißt. Sie halten sich an einem Stahlseil fest, das neben der Treppe angebracht ist, und laufen, so schnell es geht, nach unten, dem Lichtschein entgegen. Sie hören, wie laut und intensiv der Zug jetzt brennt. Stürzen, Hochrappeln, weiterlaufen. Schritt für Schritt geht es panisch die unregelmäßig lang gebauten Stufen hinab.
    Gleich darauf nehmen sie eine zweite, viel heftigere Explosion wahr. Eine Druckwelle rast durch den Tunnel. Die Flüchtenden halten sich am Stahlseil fest und schmiegen sich, so gut es geht, an die Wand. »Lauf, lauf!«, ruft jemand, »der Zug könnte runterkommen.«
    In der Tat, wenig später zischt mit Funkensprühen und lautem Knallen eines der schweren Stahlseile nach unten.
    Während dieser Sekunden, als die Flüchtenden nach unten zum Tunnelausgang hasten, öffnet Zugführer Schwabl endlich die Türen. Die Menschen im Zug starten noch einen Fluchtversuch, doch der Führerstand ist schon in Vollbrand. Als sie aus dem Zug drängen, sehen sie unter sich, so sie im Getümmel und dem Chaos überhaupt etwas sehen können, einen Feuerball. Instinktiv flüchten sie über die schmale Nottreppe nach oben oder

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