155 - Kriminalfall Kaprun
gelöst haben, dann halten Sie die Gehäusehälfte gut fest, damit sie nicht herunterfällt. Halten Sie sie genauso fest, wie sie verbaut war, damit wir noch Fotos vom Heizlüfterinneren machen können. Und Sie hier nehmen, wenn die letzte Schraube gelöst ist, die vordere Gehäusehälfte ganz vorsichtig herunter und übergeben sie dem Kollegen.«
»Okay.«
»Bin soweit«, ruft der Gletscherbahnmitarbeiter hinter der Pultwand, während der andere langsam die vordere Heizlüfterabdeckung abnimmt und den Blick ins Heizlüfterinnere frei gibt.
»Interessant«, murmelt ein Ermittler, während der Fotograf draufhält.
Die Beamten der KTZ , allesamt ausgewiesene Spezialisten, wissen, welchen Stellenwert der Heizlüfter bei der Ursachenforschung hat. Alle Zeugenaussagen weisen beim Brandausbruch genau auf diesen Bereich hin. Sie verzichten aber darauf, den Heizlüfter in Plastik einzuschweißen, was eine übliche Vorgehensweise wäre.Nach dem Ausbau, bei dem auch eine Befestigungsschraube verloren geht, bauen sie den Heizlüfter wieder zusammen, stecken ihn in einen Rucksack und transportieren ihn zur Talstation, wo er dann mehrere Tage in einem Kofferraum verstaut bleibt. Erst mit der Abfahrt der Ermittler gegen Ende der Woche kommt das Beweisstück ins kriminaltechnische Labor nach Wien. Die Lärchenholzbretter und die Dämmwolle bleiben, ebenfalls nicht eingeschweißt, im Zug. Niemand erfährt etwas davon. Auch der Sachverständige Muhr kann davon ausgehen, dass sämtliche Beweisstücke von der KTZ ordnungsgemäß und entsprechend der geltenden Vorschriften und Standards gesichert werden.
Währenddessen treffen sich im Landesgericht Salzburg der Leitende Staatsanwalt, Staatsanwältin Danninger-Soriat und die Ermittler, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Zuständig für das Vorverfahren und das spätere Hauptverfahren im Strafprozess über die Brandkatastrophe der Kapruner Gletscherbahn ist das Landesgericht Salzburg, während die Salzburger Staatsanwaltschaft die Anklage auf der Basis der Untersuchungsergebnisse vorbereiten muss. Gemäß der damals geltenden österreichischen Strafprozessordnung werden Vorerhebungen durch eine unabhängige Untersuchungsrichterin geleitet.
Alle sind sich einig, dass diese Vorerhebungen klären müssen, ob Verdachtsmomente für die möglichen Straftatbestände der »Fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst« und der »Fahrlässigen Gemeingefährdung« vorliegen. Vergehen mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Haft. Angesichts der vielen ausländischen Opfer und des weltweiten Medieninteresses vereinbaren sie außerdem, alles zu vermeiden, das den Anschein von Vertuschungen erwecken könnte und dass sie ohne Ansehen der Person ermitteln müssen. Die Untersuchungsrichterin hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft Vorerhebungen durchzuführen, wie Zeugenvernehmungen, Beschuldigteneinvernahmen, die Bestellung von Gutachtern und die Durchführung von Lokalaugenscheinen.
Im Tunnel in Kaprun arbeiten nicht nur Beamte der KTZ , sondern es sind auch Beamte des Verkehrsministeriums anwesend. Danninger-Soriat und die Untersuchungsrichterin sind damit nicht einverstanden. Beamte des Verkehrsministeriums werden höchstwahrscheinlich mit Ermittlungen gegen ihre Person rechnen müssen, ihre Genehmigungen für den Bau und Betrieb der Gletscherbahn sind Gegenstand der Ermittlungen. Es ist möglich, dass Beamte des Ministeriums später auf der Anklagebank sitzen. Umso problematischer ist es, dass Mitarbeiter genau dieser Dienststelle zu denjenigen zählen, die bei den allerersten Beweissicherungen dabei sind, finden Danninger-Soriat und die Untersuchungsrichterin. Polizeimajor Lang teilt diese Bedenken nicht. Die Vorgehensweise entspräche dem international Üblichen, sagt er.
Danninger-Soriat und die Untersuchungsrichterin entscheiden trotzdem, dass Beamte des Verkehrsministeriums nicht mehr in den Tunnel dürfen. Möglichst schnell sollen sich externe Gutachter, die nicht aus einem Ministerium kommen, der Sache annehmen. Vor allem gegenüber den ausländischen Opfern und Medien wollen sie alles vermeiden, das nach Parteilichkeit aussehen könnte.
Kapitel 15
Seit Sonntag läuft die Bergung der Toten. Soldaten bringen sie in Leichensäcken über den Breitriesenstollen ins Freie, um sie dort in Bundesheer-Hubschrauber zu verladen und nach Salzburg in die Gerichtsmedizin zu fliegen. Doch es gibt noch keinen Ort, wo die Leichen in Särge umgebettet und aufgebahrt werden können. Die Stadt
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