155 - Kriminalfall Kaprun
Müll und Zigarettenstummeln.
Mit den Zeugenaussagen der Überlebenden und deren Erzählungen vom Brandausbruch im Kopf nähern sich die Ermittler der unteren Führerkabine, wo ihnen sofort der Heizlüfter ins Auge fällt, genau an der Stelle, wo die Überlebenden und der Zeuge in der Talstation Rauch und die ersten Flammen gesehen haben. Brandspurenam Unglückszug sowie die übereinstimmenden Aussagen der Überlebenden legen nahe, dass hier die Zündquelle zu finden ist. Sofort fällt auf, dass der Heizlüfter nicht, wie in der oberen Führerkabine zu sehen, außen an der Wand des Fahrerpults aufgehängt ist, sondern in die Wand eingelassen wurde, sozusagen Teil der Pultwand ist. Akribisch dokumentieren die Ermittler, was sie sehen. Der Heizlüfter ist offensichtlich ein Haushaltsgerät aus Kunststoff und kein Gerät aus Metall, das normalerweise in Fahrzeuge eingebaut wird. Auf seiner Vorderseite prangen in weißer Schrift Marke und Type: »Fakir Hobby TLB «.
Dieser »Hobby«-Heizlüfter wurde augenscheinlich für den Einbau im Zug in zwei Teile zerlegt und in der Pultwand verschraubt. Die Ermittler nehmen die seitliche Abdeckung des Führerstand-Pultes ab, um einen Blick dahinter zu werfen. Sie trauen ihren Augen nicht. Die Rückseite des Heizlüfters ist gar nicht zu sehen, sie steckt in einer Lärchenholzkiste, dessen Kanten mit Dämmwolle ausgestopft wurden.
»Was ist das?«, fragt ein Ermittler die Mitarbeiter der Gletscherbahn, die außerhalb der Führerkabine auf der Treppe stehen.
»Es hat in den neuen Zügen während der Fahrt von unten her gezogen, deshalb wurde nachträglich dieser Holzverbau eingebaut.«
»Das heißt, unter dem Zug sind auch Holzplatten?«
»Ja, es ist eine Art Holzkiste. Aber gezogen hat es immer noch.«
»Und die Dämmwolle?«
»Damit haben wir die Kanten ausgestopft, um es dicht zu kriegen.«
Wortlos drängt sich der Fotograf der KTZ an den beiden Einheimischen vorbei, steigt auf die Gleise hinunter und legt sich unter den Zug. Er fotografiert die Unterseite des Holzverbaus, robbt noch weiter hoch. Die hier gut sichtbaren Hydraulikölleitungen wecken sein besonderes Interesse.
Die KTZ geht mit all ihrer Erfahrung vor. »Könnt ihr das Holz abnehmen?«, fragt ein Ermittler.
»Klar, sollte gehen.«
»Okay, aber ganz langsam bitte, Schritt für Schritt. Wir müssen das dokumentieren.«
Ein Gletscherbahnmitarbeiter klettert unter den Zug, während sich der zweite an den oberen Holzplatten zu schaffen macht. Nachdem dieser die erste Holzplatte im Führerstand abgenommen hat, dokumentiert der Fotograf erneut, was sich dahinter verbirgt.
»Sind das die Hydraulikölleitungen hinter dem Heizlüfter?«, fragt ein Ermittler.
»Ja, die Messleitungen hoch zu den Manometern.«
»Dokumentier das«, sagt er zum Fotografen, »die Leitungen liegen ja praktisch am Heizlüfter an. Wenn der Heizlüfter zuerst brannte, hat er danach die Messleitungen zerstört, dann könnte das Hydrauliköl herausgespritzt sein, und das Inferno war perfekt.«
»Hm«, sagt sein Kollege, »könnte sein.«
Als Nächstes bauen die Gletscherbahnmitarbeiter die hintere Platte und die Bodenplatte mitsamt der Dämmwolle aus. Wieder drückt der Fotograf mehrfach auf den Auslöser. Am Ende hat er einen ganzen Film verschossen, nur um die Einbausituation des Heizlüfters zu dokumentieren. Immer wieder nimmt er den Querschnitt auf, weil hier zu sehen ist, dass die Ölmessleitungen unmittelbar am Heizlüfter anliegen beziehungsweise sogar mit seinen vorstehenden Aufhängeelementen verbunden sind.
Die Einbausituation des Heizlüfters: im Querschnitt (rechts). Der Holzverbau (links).
»Wie ist denn der Heizlüfter an der Pultwand fixiert?«, will einer der Ermittler von den Gletscherbahnmitarbeitern wissen.
»Der ist praktisch verklemmt. Das hintere und das vordere Gehäuseteil sind fest miteinander verschraubt, dazwischen steckt die Pultplatte.«
Die Ermittler schauen sich stirnrunzelnd an, bis einer freundlich, aber bestimmt sagt: »Jetzt bitte ganz vorsichtig den Heizlüfter ausbauen. Schritt für Schritt und ohne Hast.«
»Okay, du schraubst von hinten. Ich schau, dass vorne nichts passiert.«
Einer der Gletscherbahnmitarbeiter legt sich auf den Boden des Führerpults, streckt die Arme an den Hydraulikölleitungen hinten vorbei und beginnt zu arbeiten.
»Ich bin jetzt bei der letzten Schraube«, tönt es einige Minuten später aus dem Pultraum.
»Gut«, sagt ein Ermittler, »wenn Sie die letzte Schraube
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