155 - Kriminalfall Kaprun
ausreichend durchlüftet, sodass leichter Atemschutz ausreicht. Nun dringen erstmals die Brandermittler der Kriminaltechnischen Zentralstelle ( KTZ ) gemeinsam mit Salzburger Kriminalbeamten zum Wrack vor. Ab diesem Moment, knapp 32 Stunden nach der Katastrophe, beginnen die Ermittlungsarbeiten im Tunnel.
Diese gestalten sich angesichts der vielen Toten sehr schwierig, die in den Resten des Zuges, neben der Bahn, davor und bis zu 142 Meter weiter oben auf den Schienen und der schmalen Treppe liegen. Eine der ersten Aufgaben der Beamten ist es, die Anzahl der Toten möglichst genau festzustellen. Noch immer ist unklar, wie viele Menschen dem Brand zum Opfer gefallen sind.
Die Bergung der Toten ist in Vorbereitung, doch müssen Hilfskräfte dafür erst einen schienentauglichen Transportwagen schweißen. Bis es soweit ist, finden die Ermittlungsarbeiten inmitten der bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Leichen statt. Eine Ermittlerin des achtköpfigen KTZ -Teams ist dem schrecklichen Anblick der Leichenberge im Tunnel emotional nicht gewachsen und muss die Rückreise nach Wien antreten.
Am Tag nach der Katastrophe vernehmen Kriminalisten die ersten Überlebenden im Krankenhaus von Zell am See. Durch ihre Aussagen wird schnell klar, dass der Brand im linken unteren Bereich des Führerstandes, talseitig gesehen, ausgebrochen sein dürfte. Auch aus der Talstation meldet sich ein Zeuge, der Rauch am unteren Ende des Zuges gesehen hat. Und zwar bereits beim Ausfahrenaus der Station. Für die Ermittler sind das entscheidende Hinweise, weil sie nun wissen, auf welchen Bereich der »Kitzsteingams« sie ihre Untersuchungen einschränken können. Und es gibt einen weiteren, für die Ermittlungen glücklichen Umstand. Im unteren Bereich des Zuges, wo Zeugen den Brandausbruch beobachtet haben, liegen keine Opfer. Ermittlungen und Opferbergung behindern sich hier nicht.
Die Szenerie am Unfallort ist gespenstisch. Die Opfer befinden sich »neben, in und unter der Zuggarnitur«, berichtet der Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger.
»Wir können weiterhin nicht sagen, wie viele eingestiegen sind«, sagt Einsatzleiter Franz Lang bei einer der vielen Pressekonferenzen, »hinsichtlich der Gesamtopferbilanz rechnen wir mit unter 175.«
Klar scheint, aus welchen Nationen die Toten stammen: Österreich und Deutschland haben die meisten Opfer zu beklagen, es folgen Japan, USA, Slowenien, Holland und Tschechien. Die Katastrophe hat längst internationale Ausmaße angenommen. Das wird auch jedem Kapruner klar, der im Ort mit rund 300 Medienvertretern aus der ganzen Welt konfrontiert ist.
Allein 80 Polizeibeamte sind im Einsatz, auf dem Gletscher, im Tunnel, in der Talstation und im Ort Kaprun, wo sich das Büro der Gletscherbahn befindet. Die Brandermittler der KTZ sind vorwiegend im Tunnel mit Untersuchungen beschäftigt. Für sie heißt es nun, den Brandort zu »lesen«, den Brandentstehungsbereich möglichst einzugrenzen, Brandspuren zu suchen und mit der technischen Anlage zu vergleichen. Dies soll die möglichst genaue Rekonstruktion des Brandverlaufs ermöglichen. Fotografen halten jedes Detail fest, ein Zeichner bildet das gesamte Brandobjekt ab. Auf diese Weise hoffen die Ermittler, der Brandursache auf die Spur zu kommen.
Kapitel 14
Am Tag zwei nach der Katastrophe, einem Montag, startet frühmorgens die Opferbergung. Von der Mittelstation im Tunnel aus lassen die mittlerweile in Kaprun eingetroffenen Soldaten des Österreichischen Bundesheeres den extra angefertigten Bergewagen nach unten ab. Die Toten werden in Leichensäcken und mit Opfernummern versehen, in den Wagen getragen und hochtransportiert. Ein kleines Transportfahrzeug bringt die Körper dann durch den Verbindungstunnel der Mittelstation nach draußen auf die Breitriesenalpe, wo Soldaten sie in Hubschrauber des österreichischen Bundesheeres verladen und nach Salzburg in die Gerichtsmedizin fliegen.
Bis Montagmittag transportieren sie auf diesem Weg 29 Opfer nach Salzburg. Sie waren »relativ leicht zu bergen«, berichtet Lang in einer der vielen Pressekonferenzen.
Für die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Militär steht das Schlimmste aber noch bevor. Die Bergung der vielen Opfer unmittelbar vor der Zugspitze und jener im Zug. Die Opfer sind dort »mit ihrer Umgebung und ineinander verschmolzen«, sagt Lang gegenüber den Medien, »wir müssen jeden einzeln herauslösen, um nicht zu sagen, sezieren.« Gerichtsmediziner unterstützen die Kräfte im
Weitere Kostenlose Bücher