155 - Kriminalfall Kaprun
sich schließen, während die Verteidiger versuchen, ihre zur Schau getragene Selbstgewissheit auf ihre Mandanten zu übertragen. Unsicher weichen sie den Blicken der Hinterbliebenen aus.
Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat
Dann wird es still. Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat geht auf ihren Tisch zu, deutlich erkennbar am roten Kragen ihrer Robe. Sie bleibt stehen, denn jetzt kommt auch Einzelrichter Manfred Seiss. Der Mann, der den Mut hatte, eine Rolle zu übernehmen, die ihm zwar Aufmerksamkeit bringt, die aber auch ein großes Risiko birgt.Als erfahrener Richter muss er wissen, dass er zwischen den öffentlichen Interessen, der Verteidigung und der Anklage als Einzelrichter in aller Öffentlichkeit so unter die Räder kommen kann, dass die schwere Aufgabe seiner Karriere mehr schadet als nützt. Und die Aufgabe wird schwer, das ist klar, sehr schwer für einen einzelnen Mann, egal wie qualifiziert und erfahren, wie talentiert und objektiv er ist.
Richter Manfred Seiss eröffnet den Prozess unter regem Medieninteresse
Seiss trägt eine Robe mit violettem Kragen, verweilt vor dem Kreuz und schaut in die Menge. Lautes Stühlescharren folgt seinem Auftritt, alle erheben sich. Dann wird es völlig still im Saal.
Seiss nimmt ein Blatt Papier zur Hand, Blitzlichter erhellen die Szene, und im Klacken der Fotoapparate gehen seine ersten Sätze unter. Mit leicht erregter Stimme ruft er die Strafsache »37 Hv 60/02d« auf: Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst und Vergehen der fahrlässigen Gemeingefährdung. Danach setzt er sich, und gleich darauf nehmen auch alle anderen wieder ihre Plätze ein. Große Anspannung herrscht im Saal des Kolpinghauses, als am 18. Juni 2002 der Kaprun-Prozess beginnt.
Kapitel 28
Je länger der Prozess dauert, umso mehr wird er zur Routine. Die Angeklagten werden zur Person vernommen, die Anklage wird vorgetragen, die Staatsanwaltschaft versucht, den Richter von der Schuld der Angeklagten zu überzeugen, die Verteidiger bemühen sich, die Anklagepunkte zu entkräften, und immer entscheidender werden die Aussagen der Gutachter.
Die Staatsanwältin sitzt in ihrem Salzburger Büro und lässt die ersten Prozesstage Revue passieren. Sie ist unzufrieden, die Gerichtsverhandlungen laufen für ihr Gefühl nicht klar und straff. Richter Seiss wirkt zwar bemüht, handelt für sie aber nicht entschieden und konsequent genug. Sie hat ein wachsendes Gefühl des Unbehagens, das ihr aber noch nicht greifbar erscheint.
Die Gletscherbahnen Kaprun AG und die Angeklagten engagierten 15 der besten und teuersten Anwaltskanzleien und einen Strafrechtsprofessor, die das Verfahren eloquent steuern. Sie machen den Kolpingsaal zu ihrer Bühne und setzen sich gekonnt in Szene. Bald stimmen sich die Verteidiger ab, treten geschlossen auf, und Wolfgang Brandstetter, der Strafverteidiger des erstbeschuldigten technischen Direktors der Gletscherbahn, übernimmt die Führung.
Staatsanwältin Danninger-Soriat hat den Eindruck, dass Brandstetters Einfluss auf Seiss wächst und spricht den Richter darauf an. »Doktor Brandstetter ist ja auch Universitätsprofessor am Strafrechtsinstitut in Wien, und seine Meinung hat natürlich Gewicht«, sagt Seiss und bleibt bei seinem Kurs. Die Verteidiger werden immer selbstbewusster und in ihrer Sache sicherer.
Es klopft und herein kommt ein alter Freund und Kollege der Staatsanwältin. »Hallo, Eva. Ich wollte mich mal erkundigen, wie der Kaprun-Prozess so läuft. Wie macht sich der Richter? In den Medien kommt er ja gut rüber.«
»Ich frage mich das gerade auch. Der Prozess läuft irgendwie nicht rund. Dabei ist der Fall juristisch glasklar. Ein simpler Haushaltsheizlüfterhat den Brand ausgelöst, somit müsste das Gericht nur klären, ob das verwendete Heizgerät in die Bahn eingebaut werden durfte. In der Gebrauchsanweisung und auf der Verpackung des Heizlüfters konnte jeder lesen, dass dieses Gerät nur in Bäder, WCs und Wohnräume gehört und nicht für Fahrzeuge zugelassen ist. Deshalb müsste Seiss meiner Meinung nach lediglich prüfen, ob das Cockpit einer Standseilbahn ein Bad, ein WC oder ein Wohnraum ist. Wenn das nicht der Fall ist, wäre zu klären, wer die Verantwortlichen für die Auswahl der brandauslösenden Heizung sind, wer sie eingebaut hat und wer den Einbau genehmigte. Doch im Prozess läuft das nicht so. Die Verteidiger kommen ständig mit ihren Ablenkungsmanövern durch.«
»Seiss muss unter enormem Druck stehen«,
Weitere Kostenlose Bücher