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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uhl Hannes
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fachlichen Qualifikation beeindruckt ist, sondern auch seine unbeugsame Haltung und seine Geradlinigkeit schätzt. Sie ist überzeugt, dass er jeglicher Einflussnahme standgehalten hätte. Nun ist ihr Hauptgutachter ausgefallen. Die Staatsanwältin ahnt, dass sich der Prozess trotz der eindeutigen Faktenlage zugunsten der Beschuldigten drehen könnte.
    Richter Seiss will vom psychiatrischen Gutachter auch noch geklärt wissen, ob Muhr nicht erst zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Prozess an einer depressiven Erkrankung litt, sondern auch während der gesamten vorangegangenen Dauer seiner gutachterlichen Tätigkeit im Kaprun-Verfahren seit November 2000. Mit einer derartigen Diagnose würden dann die belastenden und protokollierten Teilaussagen des Sachverständigen Muhr und seine dem Gericht präsentierten Untersuchungsergebnisse null und nichtig sein. Seiss folgt damit dem Drängen einer Gruppe von Verteidigern, die ihn am 3. Dezember 2002 außerhalb eines öffentlichen Prozesstermins aufsuchten. Im Schreiben an den Psychiater vermerkt Seiss diese »Vorsprache«. Seiss folgt damit dem Wunsch der Verteidiger und vermerkt dies auch im Schreiben an den Psychiater.
    Eine Erkrankung während der gesamten Dauer der gutachterlichen Tätigkeit des Sachverständigen Muhr bestätigt der psychiatrische Gutachter aber nicht.
    Mit dem Ausscheiden des einzigen kritischen Sachverständigen haben die Anwälte der Verteidigung ihr Hauptziel erreicht. Nun scheint alles möglich.

Kapitel 30
    Das Jahr 2003 ist gerade zwei Wochen alt, als am 13. Jänner der Kaprun-Prozess weitergeht. Der Saal füllt sich, es herrscht lautes Stimmengewirr, bis der Richter erscheint. Alle stehen auf, er grüßt, und dann beginnt das zweite Jahr im Kaprun-Prozess. Laut verkündet Seiss, dass nach dem Ausscheiden des Gutachters Anton Muhr das Gericht nun einen neuen Hauptgutachter 4 bestellt hat.
    In der Mittagspause ergattern Kovac und sein deutscher Kollege mit anderen Reportern im Speisesaal des Kolpinghauses Sitzplätze. Alle Tische sind besetzt, einige Prozessteilnehmer stehen mit ihren Tabletts vor der Essensausgabe, andere warten noch am Eingang. Am dichtesten ist das Gedränge am Tisch von Manfred Seiss. Seine Nähe suchen besonders viele Anwälte, hinzu gesellen sich Gutachter und auch die Rechtspraktikanten. Seiss ist ein guter Unterhalter.
    Hier treffen sich auch Hinterbliebene, von denen einige noch keinen einzigen Gerichtstermin ausgelassen haben und sich inzwischen gut kennen. Bei ihnen wird nicht gelacht. Verwundert schauen sie gelegentlich zum Tisch, an dem der Richter sitzt.
    »Der neue Hauptgutachter ist eigentlich schon Pensionist, arbeitet aber noch als Gutachter«, erzählt Kovac. »Drei Tage nach der Kaprun-Katastrophe hat er die Mölltaler Gletscherbahn in Kärnten auf ihre Sicherheit hin überprüft – im Auftrag des Verkehrsministeriums. Nun sitzt zumindest einer seiner Auftraggeber aus dem Ministerium auf der Anklagebank. In jedem anderen Land wäre das ein klarer Fall von Befangenheit. Schließlich muss er fürchten, dass er keine Anschlussaufträge mehr erhält, wenn sein Gutachten die Falschen belastet.«
    Der Deutsche schüttelt den Kopf.
    Karl Kovac fährt fort: »Anton Muhr passte nicht ins System, weil er für die deutsche DEKRA in München arbeitet und deshalb tatsächlich unabhängig ist.«
    Einige Wochen später erweist sich Muhrs Ausscheiden tatsächlich als Wende im Kaprunverfahren. Die Gutachter treten nun immer gemeinsam auf und stimmen sich ab. Die Kritik der bisher so kampflustigen Verteidiger an den gutachterlichen Aussagen verstummt. Die bei Anton Muhr fast bei jedem Prozesstag erfolgten Ablehnungsanträge bleiben aus.
    Die von Muhr festgestellten Ölantragungen, fotografierten Leckagen und Verschmutzungen sind kein Thema mehr. Was Muhr als rotes Hydrauliköl identifizierte und die KTZ -Fotos der ersten Stunde zeigen, wird jetzt als Kondenswasser gedeutet, in dem sich der rote Anorak des Fotografen spiegelte. Schließlich ist sich das Gericht einig, dass Anton Muhr durch unsachgemäße Behandlung der Beweisgegenstände die Ergebnisse seiner Untersuchungen selbst herbeigeführt hat und seine Gutachten deshalb falsch sind.
    Damit ist auch die von Muhr festgestellte Brandentstehung durch die gefährliche Nähe von Heizlüfter und Hydrauliköl vom Tisch. Jetzt kann sich Hydrauliköl am Heizlüfter, anders als von Muhr erklärt, nicht entzünden, auch die unmittelbar an der Rückseite des Heizlüfters

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