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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uhl Hannes
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und, für Österreich fatal, keine Titel vorweisen kann. Die Anwälte erkennen diesen Schwachpunkt, umkreisen die Beute, spielen ihre vermeintliche akademische Überlegenheit gegenüber Muhr aus und verwickeln ihn in juristische Dispute, die er verlieren muss. Richter Seiss greift nicht ein. Fast jede Äußerung Muhrs, die sich gegen ihre Mandanten richtet, beantworten die Beschuldigtenvertreter mit Ablehnungsanträgen.
    Obwohl Muhr genauso vom späten Auftauchen der KTZ -Dokumente und -Unterlagen überrascht ist wie die Anwälte der Angeklagten, fordern sie seine erneute Ablehnung und werfen ihm vor, dass er bei der Erstellung seines Gutachtens diese Akten nicht kannte. Sie werfen ihm eine »tendenziöse Aufrechterhaltung und mangelnde Bereitschaft der Reversibilität des Gutachtens« vor und ziehen seine Unbefangenheit als Sachverständiger »vehement in Zweifel«. Im Zusammenhang mit dem verspäteten Auftauchen der KTZ -Dokumente unterstellen die Beschuldigtenanwälte Muhr, dass er deren Fehlen nicht bemerkt habe. Sie konstruieren auch hier eine Mitschuld von Muhr, um erneut seine Ablehnung zu fordern. Staatsanwältin Danninger-Soriat ist die Einzige, die auf die Rolle der KTZ in der Frage der Beweismittel und Dokumente hinweist und Muhr von jedem Verdacht freispricht.
    Die Verteidiger kratzen Muhrs Glaubwürdigkeit weiter an. Der Richter stellt sich nicht dezitiert hinter den im Vorverfahren von einer Richterkollegin, also vom Gericht, bestellten Sachverständigen.
    Für die Verteidiger wird es dennoch immer enger, und der Termin naht, an dem Anton Muhr das für sie negative Gutachten in der Hauptverhandlung vortragen wird. Wenn es dann erst in den Akten erscheint, liegt ein unumstößliches Beweismittel gegen ihre Mandanten vor.
    Als Muhr sich kurzfristig über den Verbleib jener Bretter im Unklaren ist, die von den Fahrern gegen die kalte Luft im Führerhaus der Gletscherbahn nachträglich eingebaut worden waren, wird dies skandalisiert. Muhr hatte die Bretter untersucht und bei sich im Keller in einem versperrten Raum stehen gelassen. Als er seine Frau anruft und sie dies bestätigt, packen die Verteidiger Muhr so hart an, dass er resigniert, obwohl es durchaus gängige Praxis ist, dass ein Gutachter Beweismittel für Untersuchungszwecke in einem absperrbaren Raum zu Hause lagert.
    Genau vor Muhrs Präsentation seines Gutachtens im Prozess fällt dieser daraufhin aus gesundheitlichen Gründen aus. »Es gehtim Prozess so dreckig zu«, sagt er zu seinem Arzt, »ich halte das nicht mehr aus.«
    Eva Danninger-Soriat setzt durch, dass Anton Muhrs Gutachten vom Richter wenigstens verlesen wird und dadurch auch zu den Akten genommen werden muss, obwohl auch dies der Verteidigung erheblich missfällt.
    Dennoch haben sich die Verteidiger mit dem Abgang des Gerichtsgutachters Muhr durchgesetzt, es ist ein Sieg auf ganzer Linie für sie und die Beschuldigten, die sie vertreten. Ein vom Gericht gefordertes neuropsychiatrisches Gutachten bestätigt bei Muhr eine schwere Depression, ausgelöst durch die Belastungen im Prozess. Er wird für den Kaprun-Prozess, aber nicht für andere laufende Prozesse für verhandlungsunfähig erklärt.
    In vielen Jahren seiner Sachverständigentätigkeit hat Anton Muhr umfangreiche Erfahrungen in mehr als 1000 Gerichtsverfahren sammeln können, doch kein Verfahren belastet ihn so stark wie der Kaprun-Prozess: »16 Anwälte versuchen mich zu zerstückeln. Solchen Angriffen unter der Gürtellinie bin ich nicht gewachsen«, erklärt er. »Ich bin ansonsten auf der ganzen Welt ein angesehener Sachverständiger, und dort behandeln sie dich, als ob du der letzte Dreck wärst.« Über Seiss äußert er sich schwer enttäuscht: »Dabei sehe ich mich als verlängerten Arm des Gerichts, normalerweise sollte der Richter hinter dir stehen. Seit damals habe ich kein Vertrauen mehr zum Gericht.«
    Staatsanwältin Danninger-Soriat hat mit Sorge das Kesseltreiben um Anton Muhr verfolgt, gegen dessen Abberufung sie sich vehement stemmte. Dass Muhr den Aufbewahrungsort der Bretter vergaß, war ein menschlicher Fehler, hatte jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Qualität und die Beweiskraft seines Gutachtens, ist sie überzeugt. Dass die KTZ Beweismittel und Untersuchungsergebnisse monatelang vorenthalten hat, interessiert im Prozessverlauf weit weniger. Das medizinische Gutachten muss Danninger-Soriat dann jedoch akzeptieren.
    Das Schicksal Anton Muhrs trifft sie sehr, weil sie nicht nur von seiner

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