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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uhl Hannes
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schüttelt den Kopf.

Kapitel 38
    Im April 2004 bereitet Eva Danninger-Soriat die Berufung vor. Sie beschuldigt acht Angeklagte. Ihre Berufung richtet sich gegen die Freisprüche der beiden Verantwortlichen der Gletscherbahn Kaprun, der beiden leitenden Mitarbeiter der Firma Swoboda, von der die Wagenaufbauten kommen, gegen zwei Amtssachverständige sowie zwei Mitarbeiter des Technischen Überprüfungsvereins ( TÜV ). Am 27. September 2004 reicht sie ihre Berufung ein. Sie fußt auf den nicht eingehaltenen Sicherheitsstandards und dem nicht vorhandenen Brandschutz, und sie bekämpft unter anderem die Feststellungen des Gerichts, dass Haushaltsheizlüfter bedenkenlos in das Fahrbetriebsmittel eingebaut werden durften und dort einige Jahre lang ohne Wartung betrieben werden konnten. Die Berufung legt sie im Entwurf der Oberstaatsanwaltschaft Linz und dem Ministerium zur Prüfung vor.
    Die Berufung wird angenommen, doch Eva Danninger-Soriat hat den Eindruck, dass sie abermals geschnitten wird. Sie hat sich nicht an die Spielregeln gehalten. Sie hat es gewagt, ein Verfahren zu kritisieren, bei dem es um die Interessen der Republik und des Tourismus geht. Forderungen in Millionenhöhe wären bei einem Schuldspruch fällig. Das Urteil darf nicht angezweifelt werden, schon gar nicht von einer Staatsanwältin, ist ihr Eindruck. Sie spürt den Gegenwind, auch in Salzburg, meistens versteckt, gelegentlich aber sogar sehr direkt und offen. Doch sie kann nicht anders. Sie fühlt sich weiterhin dem Rechtsstaat und den Erwartungen der Hinterbliebenen an diesen verantwortlich.
    Anfang 2005 erhält die Staatsanwältin Post aus Stuttgart. Hans-Joachim Keim schickt ihr sein Gutachten über den Heizlüfter, das er für die Firma Fakir angefertigt hat. Danninger-Soriat liest es mehrmals und fühlt sich bestätigt. Akribisch hat der Schwabe seine Untersuchungen beschrieben. Das Ergebnis ist nicht nur eine schallende Ohrfeige für die österreichischen Gutachter, sondernauch eine vollständige Bestätigung und Rehabilitierung von Anton Muhr.
    Endlich eine gute Nachricht, denkt sie. Sie ist froh, dass sie an Muhrs Gutachten und seinen Feststellungen nie gezweifelt hat. Ihr fällt wieder der Hohn ein, mit dem die Verteidigung ihr Beharren auf Muhrs Ergebnissen quittierte.
    Als Keim sie im Februar 2005 in der Salzburger Staatsanwaltschaft besucht, kennt sie sein Gutachten genau. »Ihre Ergebnisse sind sehr interessant, Herr Keim«, sagt sie. »Leider haben wir uns zu spät kennengelernt, sonst wäre das Urteil im Kaprun-Prozess vermutlich anders ausgefallen. Ich lege Ihr Gutachten dem Berufungsgericht vor.«
    »Ich arbeite gerade an einem zweiten Gutachten, weil das Urteil ja besagt, die Bahn habe sich ohne Erschütterungen fortbewegt.« Keim macht eine rhetorische Pause. »Sind Sie schon mal mit einem Zug gefahren, Frau Doktor? Haben Sie da Erschütterungen auf den Gleisen und bei Weichen gespürt? Oder sind Sie da geschwebt?«
    Als sie ihn nach seiner Motivation für seine Arbeit am Heizlüfter fragt, antwortet Keim: »Ich hab mich da jetzt verbissen und lasse nicht mehr locker.«
    Die Staatsanwältin schickt Keims Privatgutachten zum Berufungsgericht nach Linz. Den Beginn der Berufungsverhandlung setzt das Oberlandesgericht Linz für den 26. September 2005 fest. Danninger-Soriat wird darüber als Allerletzte informiert, dabei ist es gängige Praxis, Berufungstermine zuerst mit dem Berufungswerber zu vereinbaren und erst danach mit den Angeklagten und deren Vertretern sowie allen anderen Prozessbeteiligten. Doch im Kaprun-Berufungsverfahren ist es genau umgekehrt. Hinzu kommt, dass die Staatsanwältin dem Gericht mitgeteilt hat, dass sie einen bereits geplanten längeren Auslandsaufenthalt antritt und der Verhandlungstermin knapp nach ihrer Rückkehr angesetzt ist. Damit verkürzt sich ihre Vorbereitungszeit direkt vor dem Verfahren.
    Sie fühlt sich auch von der Oberstaatsanwaltschaft in Linz im Stich gelassen. Sonst ist es bei wichtigen Verfahren üblich, dass sichdie Oberstaatsanwaltschaften mit den jeweiligen Staatsanwälten austauschen. Ebenso gibt es gewöhnlich Vorbesprechungen und die vorgesetzte Dienststelle weist auf mögliche Widersprüche oder Schwächen hin. Doch im Kaprun-Berufungsverfahren herrscht absolute Funkstille zwischen Linz und Salzburg.
    Der Richtersenat neun des Oberlandesgerichtes Linz besteht aus drei Berufsrichtern, die für die Vorbereitung ein Dreivierteljahr freigestellt wurden. Der vorsitzende Richter hat

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