155 - Reiseziel: Mars
Zeitlang hin und her. Bis die Ratspräsidentin erneut ein Machtwort sprach: »Dieser Punkt ist zu heikel, um in einem Streitgespräch wie diesem geklärt zu werden«, sagte sie. »Wir vertagen ihn also auf eine spätere Sitzung. Zu ihr werden wir Vertreter des hohen Gerichts einladen und gemeinsam mit ihnen die vorliegenden Beweise begutachten und die Beklagte sowie die Zeugen anhören.« Niemand widersprach.
»Zwei Punkte sind jetzt zu klären.« Cansu Alison Tsuyoshis schielender Berater ergriff das Wort. »Erstens: Was geschieht mit dem infizierten Bordrechner der PHOBOS, und wie will der Rat mit dem Datenträger verfahren, auf dem das Bewusstsein jenes Tsuyoshi gespeichert ist?«
Carter Loy war relativ kräftig gebaut und hatte überdurchschnittlich dunkle Haut mit unglaublich vielen Pigmentstreifen. Das lag wohl daran, dass er jede freie Minute in Wäldern und Bergen verbrachte. Er war Extrembergsteiger und Marsmeister im Rundlauf um den Elysium Mons.
»Und zweitens: Was geschieht mit dem Mann von der Erde? Dies scheint mir im Moment die brennendste Frage zu sein.«
Carter Loy Tsuyoshi sah erst in die Runde, dann nach links zur Präsidentin. Hartnäckigen Gerüchten zufolge diente er ihr nicht nur als Berater, sondern auch als Geliebter.
»Wir werden diesen Erdmann noch heute in unserer Abendsitzung vernehmen.« Auch die Präsidentin musterte jetzt der Reihe nach die Räte und Berater. »Darauf sollten wir uns jetzt vorbereiten.« Als ihr Blick sich mit dem Maya Joys traf, zögerte sie einen Moment. Maya glaubte zu wissen, was hinter der energischen Stirn ihrer Cousine vorging: Sie suchte nach Argumenten, um ihr die weitere Teilnahme an der Konferenz zu verwehren. Doch mit ihr hätte sie auch Leto und Palun aus dem Kabinettsraum schicken müssen. Und sie brauchte alle drei; als Erdmann-Experten gewissermaßen.
Die Präsidentin lehnte sich also zurück und ließ ihren Blick wieder über die Gesichter der anderen schweifen. »Ich will, dass wir uns möglichst konkrete Vorstellungen darüber bilden, welche Behandlung wir ihm nach dem Verhör angedeihen lassen. Denn langwierige Diskussionen können wir uns dann nicht mehr leisten.«
Maya lief es eiskalt den Rücken hinunter.
Fedor Lux beugte sich zu ihr. »Ich habe ihnen eine dringende Nachricht auf den PAC geschickt«, flüsterte er.
»Ich persönlich halte diesen Erdburschen für eine große Gefahr.« Cansu Alison Tsuyoshi war noch nicht zu Ende.
Eindringlich, fast beschwörend klang ihre Stimme jetzt. »Ich hoffe sehr, niemandem in dieser Runde ist es entgangen, welche verhängnisvolle Kettenreaktion des Chaos und der Gewalt allein seine Anwesenheit an Bord der PHOBOS in Gang gesetzt hat…«
***
Das Badeöl duftete nach Birkenharz und frisch geschnittenem Gras. Der Rasierapparat erledigte seine Bartstoppeln in Nullkommanix und verlieh anschließend sogar seiner Frisur wieder eine ansehnliche Form. Rasierwasser und Körperlotion taten seiner Haut unendlich gut. Matthew Drax fühlte sich fast wie neugeboren, als er nach ausgiebiger Körperpflege in frische Wäsche und neue Kleider stieg.
Vor einem Garderobenspiegel prüfte er sein neues Outfit.
»Gar nicht mal so übel…« Eine Hose, ein Gürtel, eine Jacke, ein Body, eine Art Pullover. Alles fühlte sich merkwürdig weich an und wog höchstens vierhundert Gramm.
Die Kleidung hatte nicht viel Ähnlichkeit mit seiner alten Pilotenkombi der US Air Force oder dem Anzug der Londoner Community mit all seinen Spezialfunktionen. Die Grundfarbe der neuen Kombination erinnerte an die gewisser Moose oder Flechten oberhalb irdischer Waldgrenzen. Nur Hüftgurt und das Schulterstück der Jacke einschließlich des Kragens waren rot, und zwar von einem dunklen, erdfarbenen Rot, wie man sie bei Blüten von Tundra- oder Heidegewächsen finden konnte.
Es gab nur Hosentaschen, keine an den Beinen, dafür ein breites Holster aus einem Material, das wie Leder aussah, sich wie Leder anfühlte, vermutlich aber dennoch keines war. Matt rätselte über seinen Zweck.
»Zufrieden?«
Er fuhr herum. Im Türrahmen stand die Weißblonde. Ihre Frage klang irgendwie gelangweilt.
»Nicht schlecht, doch…« Matt stieg in die ockerfarbenen Stiefel; auch sie unglaublich leicht. Er strich sich über Brust und Hüften. »Was ist das für ein Material?«, wollte er wissen.
»Synthetische Mikrofasern aus Kohlenstoff, Silizium, Kupfer und so weiter.«
»Klingt irgendwie nicht nach Schaf.«
»Schaf?« Sie lächelte müde. »Ach so,
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