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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Irgendwie wirkten sie zerbrechlicher als die Marsianer, die er bisher kennen gelernt hatte, und trotz ihrer intensiven Pigmentmaserung blasser. In ihren großen, leicht schräg stehenden Augen sah er kaum Weiß, und ihre Ohren waren länger und schmaler als die Chandras oder der Passanten um ihn herum. Fast alle trugen das Haar lang und offen. Muschel- und bernsteinartiger Schmuck verzierte ihre Finger, Ohren und Hälse.
    Drax blieb stehen und betrachtete die Auslagen auf ihren Tischen. »Kommen Sie weg hier, Maddrax!« Chandra fasste sein Handgelenk und wollte ihn wegziehen. Er griff einfach nach ihrem Unterarm und hielt sie fest. In Schüsseln und Schalen sah er Früchte, zerkleinerte Wurzeln, Getreidekörner und Keimlinge. In Gläsern boten sie ein Mus an, das ihn an Honig erinnerte. Auch Harz, Grassamen, Stoffe und Kleidung aus Naturmaterial verkauften sie. Eine ganz eigene Ausstrahlung ging von diesen Menschen aus. Drax fühlte sich im ersten Moment wie hypnotisiert.
    »Kommen Sie endlich!«, zischte Chandra. Sie schien wieder wütend werden zu wollen. Matthew Drax kümmerte sich nicht darum. Eine von Insekten fast vollkommen bedeckte Gestalt fesselte seine Aufmerksamkeit. Sie tanzte im Eingang einer Passage zur Melodie eines Flötenspielers und zum Rhythmus einer Trommel, die einer der Händler schlug. Die Männer saßen zwischen geschlossenen Körben, die Matt an Bienenstöcke erinnerten.
    Die Tanzende war kleiner und schmaler als die anderen, ihr nur teilweise erkennbares Gesicht wirkte sehr jung; wahrscheinlich eine Halbwüchsige. Ihr Haar schimmerte rot.
    Sie bewegen sich voller Anmut und Geschmeidigkeit. Ob sie Kleidung trug oder nackt war, konnte der Mann aus der Vergangenheit nicht erkennen, denn ihr Körper war vollständig von großen, gelbschwarzen Insekten bedeckt.
    Eine Frau hinter den Schüsseln mit den Früchten betrachtete ihn neugierig – es war auch kaum zu übersehen, dass er für marsianische Verhältnisse ein stämmiger Zwerg und noch dazu ohne Pigmentstreifen war –, dann sprach sie ihn freundlich an:
    »Wollen Sie unseren Honig probieren, verehrter Herr?«
    Matt fand keine Zeit für eine Antwort, denn Chandra bot ihre ganze Kraft auf, um ihn wegzuziehen. »Was waren das für Leute?« , wollte er wissen, als sie die Unterführung durchquerten.
    »Grüne Spinner, Wurzelfresser, Protarier…!«
    »Bitte? Meinen Sie ›Proletarier‹? Ich verstehe nicht ganz.«
    Ein abgründiges Lächeln huschte über Chandras makelloses Gesicht, und zum ersten Mal stellte Matt sich die Frage, ob Sie die Worte womöglich absichtlich falsch artikulierte. »Es sind die Baumseparatisten. Davon gibt es knapp eine halbe Million in den Wäldern.« Sie ließ ihn los, wischte sich die Hände an der Hose ab und winkte ihn hinter sich her die Treppe hinauf.
    »Fünfhunderttausend zu viel.« Sie feixte. »Ein Witz, vergessen Sie es. Das Pack kommt selten in die Städte. Ist dann auch mehr geduldet als erwünscht.«
    Drax erinnerte sich gut an das, was Jawie ihm an Bord der PHOBOS über diese Naturmenschen erzählt hatte. Das also waren sie! »Mit was bezahlen Sie die Waren dieser Leute?«
    »Bezahlen? Wir pflegen hier auf dem Mars, was man auf der Erde in früheren Epochen ›Tauschhandel‹ nannte. Wer diesen Baumseparatisten etwas abnehmen will, gibt ihnen dafür einen ausgehandelten Arbeitszeitbetrag von seinem Lebenszeitkonto. Die Höhe wird auf einem speziellen Datenkristall dokumentiert, und mit diesem Dokument können die Separatisten eintauschen, was sie selber brauchen. Meistens Papier oder bestimmte Textilien und Werkzeuge. Manchmal auch einen alten Gleiter oder Ähnliches.«
    Zum Nachdenken blieb nicht viel Zeit, denn Chandra lotste ihn durch einen haushohen Glaseingang in eine Halle. Matt war außer Atem, in seinen Beinmuskeln kribbelte es, sein Kopf fühlte sich an wie warme Zuckerwatte.
    Himmel, wie kam er jetzt bloß auf Zuckerwatte?
    »Jede der vier Städte hat eine Gründergedenkstätte«, erklärte Chandra. »Das hier ist die BRADBURY.« Sie deutete auf ein Wandgemälde von monumentalen Ausmaßen. Es stellte das Raumschiff dar, mit dem die Pioniere des Mars im Jahre 2010 auf dem Planeten hatten notlanden müssen. »Es war der Strahl, der den Absturz verursachte.« Chandra sprach plötzlich leiser, und sie bewegte sich, als würde sie auf dünnem Eis balancieren. Eine unerklärliche Ergriffenheit schien sie befallen zu haben. »Können Sie sich das vorstellen? Unsere Zivilisation entstand aufgrund

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