1550 - Die neue Bestimmung
Zimmer, in dem sie während ihrer Ausbildung gewohnt hatte.
Sie hätte Anspruch auf eine weitaus luxuriösere Unterkunft erheben können, aber sie zog Hajmayur noch immer allen anderen Quartieren vor. In der Schule war man stolz darauf.
Sie holte tief Luft und trat ein.
Garyo Kaymar erhob sich, als er sie sah. Für einen Augenblick standen sie sich schweigend gegenüber, dann reichten sie sich die Hände. „Ich danke dir, daß du gekommen bist", sagte Dorina Vaccer. „Du siehst mir eher so aus, als würdest du mich auf den äußersten Asteroiden des Kaokrat-Systems wünschen", erwiderte Garyo spöttisch. „Dieser Ausflug in eine so fremde und seltsame Welt, die offenbar kommt und geht, wie es ihrem Besitzer paßt, scheint dich sehr verändert zu haben."
„Du weißt es also schon?" fragte sie überrascht. „Woher? Ich habe meinen Schülern verboten, darüber zu sprechen!"
„Und sie haben sich an dieses Verbot gehalten. Aber du kannst sie ruhig von ihrer Schweigepflicht entbinden. Andere Friedensstifter sind offenbar weniger zurückhaltend als du. Ihre Schüler haben geplaudert. Man weiß mittlerweile, wo ihr wart."
Gar nichts weißt du! dachte Dorina Vaccer in plötzlich aufwallender Enttäuschung. Eine Welt, die kommt und geht, wie ihr Besitzer es will... Als ob das alles wäre! Nicht einmal ich selbst weiß, wo ich war und was diese künstliche Welt wirklich ist!
Sie bemerkte, daß Garyo sie prüfend musterte.
Er kannte sie sehr gut - er konnte alles mögliche aus ihren Reaktionen herauslesen. Ärgerlich riß sie sich zusammen. „Was hast du noch gehört?" fragte sie mit gespielter Gelassenheit.
Seine nach vorne gebürsteten Augenbrauen hoben sich wie die Flügel eines Schmetterlings. „Reicht das nicht?" fragte er zurück. Seine Stimme klang bitter. „Gibt es denn noch mehr zu erzählen?"
Sie betrachtete ihn nachdenklich.
Garyo Kaymar war mittlerweile um die Vierzig, aber man sah ihm sein Alter nicht an. Auch sein Talent hatte offenbar nicht gelitten. Er war noch immer im Vollbesitz seiner Kräfte.
Und er galt auch heute noch als einer der besten Schlichter, die es je gegeben hatte.
Sie fragte sich, warum aus ihm nie ein Friedensstifter geworden war. Jetzt allerdings war es ohnehin zu spät dazu.
Warum, um alles in der Welt, war er hier?
Nur um sie zu begrüßen?
Sie hätte nur zu gerne daran geglaubt, aber sie kannte ihn allzu gut.
Er führte etwas im Schilde, aber sie hatte diesmal nicht die leiseste Ahnung, worauf er es abgesehen hatte.
Das beunruhigte sie.
Am liebsten hätte sie ihn nach seinen Zielen gefragt, aber sie scheute instinktiv davor zurück. „Sage mir zuerst, was die anderen bereits preisgegeben haben", bat sie schließlich.
Damit gab sie ihm unverblümt zu verstehen, daß sie nicht die Absicht hatte, ihm reinen Wein einzuschenken. „Ich habe es für dich aufgezeichnet", erwiderte Garyo und deutete auf das Terminal vor dem Fenster zum Park. „Stellungnahmen aus einigen unserer Kolonien. Außerdem haben wir ein paar Funksprüche der Terraner abgefangen. Sie scheinen völlig aus dem Häuschen zu sein."
Es hätte Dorina Vaccer sehr gewundert, wenn sie es nicht gewesen wären.
Sie spürte, daß Garyo Kaymar auf eine Bemerkung zu diesem Thema wartete, aber sie war nicht bereit, darüber zu sprechen - jedenfalls jetzt noch nicht.
Die Funksprüche der Galaktiker verrieten nicht mehr und nicht weniger, als daß ihre Absender sehr aufgeregt waren.
Das war nichts Neues.
Auch die Berichte aus den Kolonien gaben nicht viel her: ein bißchen Gerede hier, eine dumme Bemerkung dort. „Nur ein bißchen Geschwätz", stellte Dorina Vaccer erleichtert fest. „Etwas anderes war ja auch gar nicht zu erwarten. Alle Schüler mußten in den Schiffen bleiben - keiner von ihnen weiß etwas, das er ausplaudern könnte."
„Also habt ihr Friedensstifter tatsächlich Geheimnisse", stellte Garyo Kaymar fest. „Das klingt seltsam, Dorina!"
Sie lachte laut auf. „Du also auch!" erwiderte sie amüsiert. „Meine Schüler platzen fast vor Neugierde. Mir scheint, daß es dir genauso geht."
Er schwieg. „Du weißt doch selbst am besten, daß diese Situation keineswegs neu ist", sagte sie ärgerlich. „Es hat nichts mit irgendwelchen Geheimnissen zu tun. Es liegt ganz einfach daran, daß auch wir nicht allwissend sind. Manchmal geraten wir in Situationen, die uns Schwierigkeiten bereiten - die wir nicht auf Anhieb verstehen. Dann brauchen wir ein bißchen Zeit, um die Lage zu analysieren
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