1552 - Erzfeind der Hölle
Sein Brustkasten spannte sich dabei. Ich ging davon aus, dass er handgreiflich werden würde, aber die Lage entspannte sich, denn es wurde schneller geöffnet, als ich es erwartet hatte.
Ein Mann schaute uns aus verweinten Augen an. Auf seinem Kopf sah das schwarze Haar ungekämmt aus. Er trug ein helles Hemd und eine graue Hose, die sich über seinem Bauch spannte.
»Mr Lissek?«, fragte ich.
»Ja. Was wollen Sie?« Seine Stimme klang müde.
»Scatland Yard.«
Aus dem Hintergrund rief jemand: »Du musst den Bullen nicht reinlassen, Stephan!«
»Ich weiß. Kommen Sie trotzdem rein. Wir haben im Moment noch Besuch.«
»Ich weiß. Ein Mann namens Sarrazin.«
»Ja. Er ist gekommen, um uns Trost zu spenden. Den haben wir bitter nötig.«
»Das glaube ich Ihnen.«
Er gab den Weg frei, sodass Suko und ich die Wohnung betreten konnten.
Uns fiel sofort der Geruch auf. Es roch nach Weihrauch wie in einer katholischen Kirche, und ich konnte mir vorstellen, dass dies auf den Besucher zurückzuführen war.
Es war eng in der Diele. Da die Türen zu den Zimmern offen standen, wirkte es nicht so schlimm. An einigen Haken an der Wand hingen Kleidungsstücke, die einen feuchten Geruch abgaben. Aus einem Zimmer hörten wir Stimmen.
Stephan Lissek ging vor, und wir folgten ihm.
Die Einrichtung beachteten wir kaum. Unser Blick wurde von einem kleinen Altar angezogen. Er befand sich auf einer Anrichte. Dort standen zwei Kerzen, deren Dochte brannten. An der Wand darüber hing ein Porträt des verstorbenen Papstes Johannes Paul des Zweiten, der aus Polen stammte und mit bürgerlichem Namen Karel Woytila hieß.
Auch heute noch, weit nach seinem Tod, wurde er von seinen Landslauten wie ein Heiliger verehrt, und es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis er heiliggesprochen wurde.
Zwischen den Kerzen stand ein Kreuz mit der Figur des Jesus darauf. Im Raum lagen die letzten Weihrauchschwaden wie Nebelreste.
Zwei Menschen knieten vor dem Altar, die jetzt aufstanden. Wir hatten sie in ihren Gebeten gestört.
Der Mann half der Frau hoch. Es musste dieser Sarrazin sein, von dem ich bisher nur die Rückseite sah. Doch dann drehte er sich um, Man konnte ihn als eine mächtige Gestalt bezeichnen. So groß wie ich, breit in den Schultern. Ein bäuerliches Gesicht mit einer wuchtigen Nase und einem breiten Mund, der zu seinem ebenfalls breiten und zugleich kantigen Kinn passte. Auf dem Kopf war das dünne graue Haar zurückgekämmt. Stahlaugen schauten uns an.
Neben ihm wirkte die Frau zierlieh. Sie trug ein schwarzes Kleid, das ihr zu groß war. Das kleine Gesicht unter den grauen Locken sah verweint aus, und die Hände hielt sie wie zum Gebet gefaltet, wobei sich ihre Lippen nicht bewegten.
Bevor Stephan Lissek etwas erklären konnte, übernahm Sarrazin das Wort.
»Ich habe bereits mitbekommen, dass Sie von der Polizei sind.«
Das bestätigte ich und fügte unsere Namen hinzu.
Der Stahlblick ließ uns nicht los.
»Und Sie wollen den Mord an Ellen aufklären?«
»Das ist unsere Pflicht.«
Er nickte. »Haben Sie schon einen Verdacht?«
»Nein.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei.« Sarrazins Stimme klang salbungsvoll. Dann strich er der Frau mit einer sanften Bewegung über das Haar. »Mein Besuch ist beendet, aber ich werde wiederkommen und für die Seele eurer Tochter beten. Wir werden es gemeinsam tun.«
»Danke, Hochwürden.«
Suko und ich konnten Sarrazin nicht festhalten. Er war nicht unmittelbar betroffen, doch es konnte sein, dass sich Fragen ergaben, auf die wir Antworten von ihm haben wollten. Deshalb erkundigte ich mich, wo er zu erreichen war.
»Ich lebe im Pfarrhaus.«
»Danke.«
Dann ging er.
Stephan Lissek wollte ihn noch bis zur Tür begleiten, doch er lehnte ab und tat dies in seiner Heimatsprache.
Mrs Lissek hatte sich auf der Couch niedergelassen. Ihre Augen waren weit geöffnet. Wahrscheinlich dachte sie über das nach, was sie in den vergangenen Minuten erlebt hatte.
Auch wir wurden gebeten, Platz zu nehmen, und erfuhren, dass die Frau Ludmilla hieß.
Wir sprachen den beiden unser Beileid aus und erfuhren im Folgenden, dass die Lisseks noch einen Sohn hatten, der aber bei Verwandten in Krakau lebte und noch nicht wusste, dass seine Schwester umgekommen war. Wobei wir bei unserem Thema waren.
»Können Sie sich einen Grund dafür vorstellen, dass Ihre Tochter umgebracht wurde und man zudem noch ein Kreuz in den Mund der Leiche gesteckt hat?«
Beide schauten sich an. Es war für Suko und
Weitere Kostenlose Bücher