1552 - Erzfeind der Hölle
mich gut zu sehen, weil wir in den beiden schmalen Sesseln saßen, die der Couch gegenüberstanden. Nur ein rechteckiger Holztisch trennte uns.
Ludmilla hob die Schultern.
Ihr Mann schaute zu Boden. Dabei knetete er an seinen Fingern herum.
»Nun?«
»Es ist so schwer, Mr Sinclair«, sagte der Mann nach einem langen Seufzer.
»Und warum ist es das?«
Jetzt folgte die Antwort direkt. »Obwohl unser Sohn in Krakau lebt, war er uns näher als Ellen.«
Ludmilla nickte dazu heftig.
»Wie kommt das?«, erkundigte ich mich. »Ich meine, dass diese Aussage doch ungewöhnlich ist.«
»Aber sie ist wahr - leider.«
»Was hat sie getan?«, fragte Suko.
Stephan Lissek wischte über seine Augen. »Sie hat sich uns entfremdet. Sie wollte nicht mehr so leben wie ihre Eltern und die anderen Menschen hier im Haus.«
»Bitte, das ist nicht ungewöhnlich. Ellen war jung. Sie wollte vielleicht ihren eigenen Weg gehen. Das kann man keinem zum Vorwurf machen, auch nicht den eigenen Kindern.«
»Bei Ellen war es anders«, flüsterte Ludmilla.
»Können Sie uns das genauer erklären?«
»Ich weiß nicht…« Ludmilla blickte ihren Mann an, als erwartete sie von ihm einen Ratschlag.
»Sag du es.«
»Gut.« Sie nickte, hielt ihren Blick aber gesenkt. »Ellen hat mit uns gebrochen. Sie wollte nicht mehr hier leben. Das war ihr alles zu eng. Sie wollte mit uns nichts mehr zu tun haben. Ich weiß nicht mal, ob sie ihrer Arbeit in der Kantine noch nachgegangen ist. Sie hat sich völlig von uns gelöst, um ihren eigenen Weg zu gehen, der sich schon zuvor abgezeichnet hat.«
»Wie meinen Sie das?«
Diesmal erhielten wir die Antwort von Stephan Lissek. »Sie hat ihren Glauben verloren.«
Ich verstand. »Den Glauben an Gott?«
»Ja.«
»Und was trat an dessen Stelle?«
Er konnte mir nicht mehr in die Augen schauen und flüsterte: »Das - das Gegenteil.«
»Sie meinen damit den Teufel?«
»So nennt man den großen Widersacher wohl.«
Ich wurde jetzt konkreter. »Betete sie ihn an?«
»Wir müssen es befürchten«, hauchte er.
»Und wie gab sie sich?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Mr Sinclair. Sie wohnte in der letzten Zeit nicht mehr bei uns. Sie hat sich in ein ganz anderes Leben zurückgezogen.«
»Aber nicht allein?«
»Bitte?« Er schüttelte den Kopf.
»Alles der Reihe nach, Mr Lissek. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass sie ihren Weg ganz allein gesucht hat. Sie hat sicher irgendwo Unterschlupf gefunden. Bei Gleichgesinnten. Das ist normalerweise der Verlauf. Allein geht man solch einen Weg nicht. Sie wird eine Anlauf stelle gehabt haben. Ist Ihnen da etwas bekannt? Wissen Sie was? Können Sie uns einen Hinweis geben? Einen Namen vielleicht?«
»Ja, schon«, gab Lissek zu. »Sie hatte schon länger Freunde, die uns nicht gefielen. Das waren die Adamskis. Zwei schlimme Menschen, die einen schlechten Einfluss ausübten. Aber die leben auch nicht mehr.«
»Wie kommt das?«
»Sie sind verbrannt.«
Ich horchte auf. Neben mir atmete Suko scharf ein. Jetzt wussten wir auch die Namen der beiden Menschen, deren Haus angezündet worden war.
»War es Brandstiftung?«, fragte ich.
»Es war Mord!«, erklärte Ludmilla Lissek. »Ebenso wie bei unserer Tochter. Eiskalter Mord. Man muss kein Polizist sein, um zu erkennen, dass die beiden Fälle zusammenhängen - oder?«
»Nein, das muss man nicht.«
»Dann haben Sie auch schon davon gehört?«
»Am Rande«, sagte ich.
Suko mischte sich ein. »Sie wissen, dass man ein Kreuz im Mund ihrer Tochter gefunden hat?«
»Ja, das wurde uns zugetragen.«
»Und? Was sagen Sie dazu?«
Ludmilla hob die Schultern, als wäre ihr das Thema unangenehm.
Suko ließ nicht locker und stellte Stephan die gleiche Frage.
Der schaute ins Leere, gab dann aber eine geflüsterte Antwort.
»Was soll ich dazu sagen? Vielleicht hat man versucht, ihre Seele zu retten. Ich hoffe, dass es gelungen ist, denn ich möchte nicht, dass mein Tochter in der Hölle schmort oder ihre Seele im Fegefeuer gefangen ist. Aber ich weiß das alles nicht so genau. Wir haben Ellen nicht mehr verstanden.« Er machte eine Bewegung mit dem rechten Arm. »Wir leben unseren Glauben, wir beten, und all das hat Ellen gehasst. Einmal hat sie sogar unseren Altar zerstört. Dann ist sie zum Glück ausgezogen.«
»Und Sie kennen keinen ihrer Freunde, abgesehen von diesen Adamskis?«
»So ist es.«
»War Ihr Kontakt zu ihr endgültig abgebrochen?«
»Ja.«
Suko schaute mich an. So kamen wir nicht weiter, und wir
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