1552 - Tolots Terror
abgeschottet.
Nur Geduld, Prina Mauenhaudi.
Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm, so daß ihre Augen in gleicher Höhe waren. „Schau, Baron, in einer Hinsicht hast du recht. Du könntest wirklich alles allein lernen/was du nur lernen wolltest. Aber ich will dir eine Frage stellen."
Aus dem Wust von Spielzeug, das in einer Ecke lag, griff sie einen Miniaturschweber heraus. Sie wußte, daß die buntlackierte Gleiterform im Augenblick sein liebstes Spielzeug war. „Wie funktioniert die Fernsteuerung, Baron?"
„Ich weiß es nicht", antwortete der Junge mit finsterem Blick. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Sein Blick irrte durch das offene Fenster nach draußen. „Es funktioniert immer, das reicht doch."
„Falsch."
Prina entschloß sich zu einer drastischen Maßnahme. Sie warf die Fernsteuerung auf den Boden, stand auf und zertrümmerte sie mit den Stuhlbeinen. Von Baron kamen nur entsetzte Blicke, und der Junge brachte vor Überraschung kein Wort heraus. „Jetzt", sagte sie, „wäre es von Vorteil, die Funktion der Fernsteuerung zu kennen. Dann nämlich könntest du dir eine neue bauen. „ „Das mußt du tun!" rief er zornig. „Du hast sie kaputtgemacht!"
„Aber ich tue es nicht. Der Lehrer wird dir beibringen, wie du es selbst machen kannst."
Sie wollte besänftigend über seinen Kopf streichen. Er zuckte zurück, als habe sie mit Schlägen gedroht. In Barons Augen standen Tränen, doch er rückte mit verkniffenem Gesicht herum zum Bildschirm.
Die Hände waren zu Fäusten geballt.
Sie schluckte schwer. „Du kannst ihn mit Lehrer ansprechen", erklärte sie dann. „Oder mit einem anderen Wort, das du mit ihm ausmachst. „ Prina erhob sich. Als sie zur Tür hinausging, hörte sie den gemurmelten Befehl. Der Bildschirm erhellte sich, und Baron wurde zum erstenmal im Leben mit systematischem Wissen konfrontiert.
Das Spielzeug war nicht so wichtig. Morgen oder übermorgen würde er es vergessen haben - und bis dahin hatte der Lehrer längst Barons Interesse geweckt. Darauf war er programmiert.
Dennoch hatte Prina das schreckliche Gefühl, einen Fehler begangen zu haben. Sie wußte schon: Andere Linguiden hätten einen besseren Weg gefunden, ihn vom Nutzen des Lehrers zu überzeugen, aber sie war nun einmal Prina Mauenhaudi, niemand anders. Die pragmatische Lösung lag ihr mehr.
*
Einen Tag lang rührte sich Baron nicht vom Bildschirm fort. Wenn sie vor der Tür stand, hörte sie sein Gemurmel und die Antworten des Lehrers. Irgendwann allerdings kam er doch noch zum Vorschein. „Na?" meinte sie. „Du hast sicher Hunger."
„Hm. Der Lehrer hat das auch gesagt. Er meinte, ich muß essen, trinken und dann schlafen."
„Da hat er recht, Baron. Warte, wir können zusammen essen."
Im Speiseraum wählte sie ein Menü aus dem Küchenautomaten.
Schweigend verzehrten sie ihre Mahlzeit, und bald; ging Baron schlafen. Sie dagegen hatte noch viel Arbeit vor sich, weil sie den ganzen Tag über mit ihm zugebracht hatte. Das konnte sie sich nicht allzuoft leisten, sonst mußte die Arbeit darunter leiden. „Prina?"
Der Kleine stand in der Tür zu seinem Zimmer. „Ja, Baron?"
„Wirst du mir erlauben, auch morgen mit dem Lehrer zu reden?"
„Aber selbstverständlich. Ich verspreche, daß ich dich daran niemals hindern werde."
Beruhigt schloß er die Tür. Sie dagegen machte sich nachdenklich auf den Weg zur neuen Schaltzentrale, die seit einiger Zeit im Bau war. Wie kam er überhaupt auf eine solche Idee? Sie hatte ihm nie etwas verboten, was Sinn machte. Oder doch? Mußte nicht etwas falsch sein, wenn er diese Fragen stellte? Es wäre interessant gewesen, ein einziges Mal Barons Blickwinkel einzunehmen, in seiner Haut zu stecken.
Welches Bild von ihr trug Baron mit sich herum? Dabei versuchte sie doch, ihm zu geben, wonach immer ihm zumute war.
Die bepflanzten Terrassen der Mondstadt lagen um diese Zeit verlassen da. Die große Scheibe Lingoras war bereits untergegangen, und von der Bahn der Sonne Teshaar würde nur gegen Mitternacht ein kurzes Stück sichtbar werden. Von oben kam das Licht der Sterne.
Prina sog müde die frisch gefilterte Luft ein. Auf einen Ciffton verzichtete sie mit Absicht. So hatte sie Gelegenheit, vom Fußweg aus den neuen Zentralbau zu betrachten. Im Rohbau stand das Gebäude bereits, es handelte sich um ein kegelförmiges, dreißig Meter hohes Gerüst ohne Wände. „Hallo, Prina!"
„Ah, hallo, Kogano!"
Der Ingenieur war ein stämmiger
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