1554 - Der Zombie-Mönch
selbst tot bin.«
Hawkins erschrak. Es war eine Antwort gewesen, über die er noch vor ein paar Minuten gelacht hätte, weil er sie für einen Witz gehalten hätte. Das sah nun anders aus. Er brauchte nur in das leichenblasse Gesicht zu schauen, um zu wissen, dass diese so nüchtern gegebene Erklärung stimmte.
Der Besucher sah so verdammt echt aus. Und es kam hinzu, dass er ihn nicht atmen hörte. Er war so still, und durch Geoffs Kopf huschten Gedanken, die ihm eigentlich fremd waren. Er dachte an irgendwelche Märchen, in denen die Toten plötzlich aus den Gräbern stiegen. Davon hatten selbst die Menschen in der heutigen modernen Zeit noch Angst, aber dass so etwas Wirklichkeit werden könnte, das konnte er sich nicht vorstellen.
Und doch stand der Tod neben ihm. Nicht als Knochenmonster, sondern als Mönch, der Geoff Hawkins schließlich auch war, denn man hatte ihn aus dem Kloster in die Welt geschickt, um zu predigen. Dass er einen eigenen Weg eingeschlagen hatte, stand auf einem anderen Blatt. Er konnte sich allerdings vorstellen, dass er vielleicht wegen dieser Umkehr Besuch bekommen hatte.
»Warum?«, flüsterte er.
»Du bist den falschen Weg gegangen. Deine Verfehlungen waren einfach zu schlimm. Du hast einen Menschen ermordet. Du hast Dinge getan, die eine Schande für einen Mönch sind. Du hast deinen Trieben nachgegeben und Bordelle besucht. Das alles kann nicht mehr hingenommen werden. Deshalb bin ich gekommen…«
Die Vorwürfe hatten den Mann wie Hammerschläge getroffen. Er konnte ihnen nichts entgegensetzen. Ihm fehlten die Worte zu seiner Verteidigung. Sein Gesicht hatte ebenfalls alle Farbe verloren. Es sah so bleich aus wie das, des Mönchs, der sich jetzt bewegte und seine Hände aus den Ärmeln zog.
Hawkins verfolgte die Bewegungen genau. Er spürte, wie die Angst in ihm aufstieg.
Die Hände!
Sie verdienten eher den Begriff Klauen. Die Finger waren lang. Auch sie waren bleich und erinnerten Geoff an spitze Stifte. Lange und leicht krumme Nägel, unter denen noch der Schmutz klebte, als wäre die Gestalt erst vor kurzem aus der Graberde geklettert.
Vor Jahren hatte Geoff Hawkins mal von Freddy Krüger gehört. Dessen Klauen erinnerten ihn an die Hände dieser Gestalt, die trotz des menschlichen Aussehens ein Monster war.
»Bitte«, sagte er mit leiser Stimme. »Bitte, was - was - soll das alles?«
»Ich töte dich!«
Eine klare Antwort, die jedoch nicht für einen tiefen Schreck und eine Erstarrung sorgte, sondern dafür, dass sich in Geoff Hawkins der Widerstand regte.
Er wollte aus der Wanne. Einfach hinausspringen konnte er nicht, weil das Wasser ihm einen zu großen Widerstand entgegensetzte. Deshalb legte er beide Hände auf die Ränder, um sich in die Höhe zu stemmen.
Er kam nicht weit.
Die Klauen waren schneller.
Sie umfassten seine Kehle mit einem Klammergriff, und die Spitzen der Nägel drückten sich hart in die dünne Haut. Sie hinterließen kleine Wunden, aus denen rote Blutperlen quollen.
Geoff Hawkins stieß noch einen schaurigen Laut aus, der in einem Gurgeln endete, als sein Kopf unter Wasser gedrückt wurde. Sein Mund stand offen. Luftblasen entwichen, und der Zombie-Mönch beugte sich weiter vor, damit er den Körper seines Opfers bis auf den Boden der Wanne drücken konnte.
Geoff Hawkins kämpfte um sein Leben. Er schlug und trat mit wilden Bewegungen um sich. Das Wasser schwappte von einer Seite zur anderen und floss über.
Der Zombie-Mönch kannte keine Gnade. Seine Hände lagen weiterhin um den Hals des Mannes, den er nicht mehr vom Boden der Wanne hochkommen ließ. Das Gesicht war nicht mehr genau zu sehen, weil das sich bewegende Wasser es verzerrte.
Es gab keine Rettung mehr.
Kein Arm und kein Bein schlug mehr um sich. Der Körper erschlaffte. Trotzdem ließ der Mönch nicht los. Es gab keine Bewegung in seinem Gesicht. Einer wie er konnte keine Gefühle mehr zeigen, er führte nur Aufträge durch.
Erst Minuten später löste er die Hände vom Hals seines Opfers. Der nackte Mann schwamm in der Wanne unter dem Wasser, dessen Oberfläche sich allmählich beruhigte.
Jetzt war auch das Gesicht zu sehen.
Die starre Fratze eines Toten…
***
Wir hatten uns noch mal die Unterlagen angeschaut und uns so mit den drei Toten beschäftigt.
Viel war über sie nicht zusammengetragen worden, doch eines hatten sie gemeinsam. Sie stammten allesamt aus einem bestimmten Kloster und waren von dort aus in die Gemeinden geschickt worden, um zu predigen oder
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