1558 - Im Griff der Hölle
beigebracht haben. Ich sehe keine andere Alternative.«
Sean Kilrain hatte jedes Wort verstanden. Er schwieg und atmete nur durch die Nase. Sein Blick hatte etwas Finsteres angenommen, und er fragte: »Muss uns das als Erklärung reichen?«
»Nein, das muss es nicht. Der Fall ist noch längst nicht beendet. Im Gegenteil, er fängt erst an. Ich will herausfinden, warum er das getan hat, wo er doch schon tot war. Aber das kann es auch nicht sein. In ihm muss eine andere Kraft gesteckt haben, die es schon seit Urzeiten gibt, und Sie wissen, Sean, welche Macht ich damit meine.«
»Die der Hölle.«
Seine Antwort war nur ein Flüstern gewesen. Gern hätte ich ihm widersprochen, doch das war nicht möglich, und deshalb nickte ich ihm zu.
»Warum hat er das getan?«, flüsterte er. »Und wieso konnte er das tun? Was steckte alles in ihm?«
»Der Teufel muss ihm den Befehl erteilt haben. Er hat es geschafft, mit einem Toten zu sprechen.«
»Das ist verrückt!«
»Ja. Allerdings nicht, wenn ein Mensch den falschen Weg eingeschlagen hat. Ich gehe davon aus, dass sich der Pater der Hölle verschrieben hat, dass er aber nicht hundertprozentig davon überzeugt gewesen ist und der innere Zwiespalt ihn zerrissen hat.«
»Ich kann Ihnen da nicht widersprechen. Leider. Es wäre besser gewesen, wir hätten eine unterschiedliche Meinung. So aber müssen wir davon ausgehen, dass der Teufel nah ist.«
»Zumindest bei ihm war es so«, sagte ich.
Kilrain warf einen Blick in die Grube.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte er. »Haben Sie eine Idee?«
»Das Grab muss wieder zugeschüttet werden. Die beiden Totengräber sollen Stillschweigen über das halten, was sie hier gesehen haben. Die Veränderung des Toten können wir nicht auf sich beruhen lassen. Wir wissen auch nicht, ob er der Einzige bleibt. Es ist anzunehmen, dass andere Menschen folgen werden, und dem müssen wir einen Riegel vorschieben.«
»Wie wollen Sie das denn anstellen?«
»Ich weiß es noch nicht. Sicher ist, dass Pater Alvarez die letzten Wochen seines Lebens hier in Conna verbracht hat. Deshalb könnte hier auch die Lösung liegen.«
Sean Kilrain schaute mich skeptisch an. »Nun ja, ich weiß nicht recht. So sicher bin ich mir da nicht.«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Auch nicht. Aber Alvarez war Spanier. Vielleicht ist er schon in seiner Heimat mit dem Grauen in Berührung gekommen. Ich möchte da keine Möglichkeit ausschließen.«
»Das kann durchaus sein, Sean, dass dort die Basis gelegt worden ist. Hier aber hat sie sich dann entfalten können.«
Der große und breitschultrige Mann wirkte plötzlich viel kleiner, was ich auch verstehen konnte. Sich mit der Holle auseinanderzusetzen war keine angenehme Sache.
Aber die Überraschungen waren noch nicht vorbei. Ein leiser Männerschrei ließ uns zusammenfahren.
Wir drehten uns gleichzeitig um und schauten auf Jason O'Brian, der steif wie ein Zinnsoldat neben dem Sargdeckel stand, auf dessen Unterseite er schaute. Auch er hatte jetzt seine gesunde Gesichtsfarbe verloren und atmete heftig.
»Was ist denn?«, rief ich halblaut.
Er winkte zuckend mit der rechten Hand. »Bitte, kommen Sie mal her. Das hier das - das habe ich erst jetzt gesehen. Vorher ist mir das nicht aufgefallen.«
Er musste etwas Schlimmes gesehen haben, dass er sich so benahm.
Ich beeilte mich und schaute mir die untere Seite des Sargdeckels an. Sie hätte eigentlich glatt sein müssen, was sie jedoch nicht war. Mit einer ungelenken Schrift war etwas in das weiche Holz eingeritzt worden.
Beim ersten Hinschauen waren die Worte nicht für mich zu lesen. Ich musste näher heran.
Der Deckel lehnte mit der Oberseite am Lehmhaufen, und erst als ich mich nach vorn gebeugt hatte, da waren die Worte zu lesen, die mir einen Schock versetzten.
Der Tote musste den Satz mit einer wahnsinnigen Kraft in das Holz geritzt haben.
Er hatte nur Großbuchstaben verwandt. Die Worte kamen mir vor wie ein Schrei oder wie eine Bestätigung.
ICH WAR IN DER HÖLLE!
***
Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch blasser werden könnte. Es war tatsächlich der Fall, denn mit einer derartigen Überraschung hatte ich nicht gerechnet.
Einen Kommentar gab ich nicht ab. Dafür trat ich zur Seite, damit Sean Kilrain die Worte ebenfalls lesen konnte. Er las sie mehrmals. Er wiederholte sie sogar flüsternd und rieb danach über seine Augen, wobei er sich aufrichtete.
»Und - was sagen Sie?«, fragte ich.
Er hob die Schultern. Seine
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