1559 - Kleine böse Nathalie
auch noch so harmlos aussehen.
Wie sein Vater war er es gewohnt, einer Sache auf den Grund zu gehen, und das hatte er auch hier vor. Dass jemand mit einem Totenkopf durch die Gegend fuhr, war zumindest nicht normal. Dafür musste es eine Erklärung geben, und die wollte er von dem Mädchen erfahren.
Während Johnny noch überlegte, wie er sich verhalten sollte, reagierte die Fahrerin.
Sie griff nach dem steckenden Zündschlüssel und drehte ihn herum.
Der Motor sprang sofort an. Sie legte einen Gang ein.
Johnny sah, dass sich ihr Gesicht verzerrt hatte.
Er wollte noch etwas sagen, aber der Corsa machte einen sprunghaften Satz nach vorn, und Johnny hatte das Nachsehen. Er musste die junge Frau fahren lassen, die es so eilig hatte, dass ihr Auto auf der feuchten Straße leicht ins Schleudern geriet.
Außerdem hatte sie vergessen, das Licht einzuschalten.
Johnny Conolly atmete tief durch. Mit einer derartigen Veränderung der Lage hatte er nicht gerechnet. Er schüttelte den Kopf, und zugleich drängten sich die Gedanken in ihm hoch.
Was er da erlebt hatte, das glich nicht nur einer Flucht, das war auch eine. Diese so harmlos aussehende Person hatte etwas zu verbergen, und es musste im Zusammenhang mit dem Totenschädel auf dem Beifahrersitz stehen. Eine andere Erklärung gab es für ihn nicht.
Dass er den Corsa um diese Zeit in dieser Straße gesehen hatte, war schon ungewöhnlich. Ebenso wie der Totenschädel auf dem Beifahrersitz.
Ihm stieß noch etwas sauer auf. Die junge Frau hatte nicht weit vom Haus seiner Eltern entfernt geparkt. Ob das etwas zu bedeuten hatte?
Johnny war zwar ein normaler Mensch, aber er war nicht normal aufgewachsen. Er hatte schon in seiner Kindheit hinter die. Kulissen schauen können. So wusste er, dass es Dinge gab, von denen die normalen Menschen nicht mal zu träumen wagten. Er hatte oft genug mit den Mächten der Finsternis zu tun gehabt, und das hatte ihn dem Leben gegenüber misstrauisch gemacht.
Er fing an, nachzudenken und gelangte zu dem Schluss, dass dieser Totenschädel auf dem Beifahrersitz kein Spielzeug war, sondern echt. Sonst hätte die Fahrerin nicht so schnell die Flucht ergriffen.
Es war zwar recht spät oder früh geworden, nur wollte Johnny diese Entdeckung nicht für sich behalten. Er musste umgehend mit seinem Vater darüber reden.
Er wollte schon losfahren, als die nächtliche, Stille vom Geräusch eines fahrenden Autos unterbrochen wurde. Sekunden später wurde er vom Licht der Scheinwerfer erfasst, sodass er sich vorkam wie eine Zielscheibe.
Er wollte aus der Helligkeit weg, als das Fahrzeug direkt neben ihm stoppte und Johnny erkannte, dass es sich um ein Taxi handelte.
Einen Moment später wurde die hintere Tür aufgestoßen und er hörte eine Stimme, die er hier und um diese Zeit wirklich nicht erwartet hatte…
***
Ein ruhiges Gewissen hatte ich nicht, die Conollys jetzt allein zu lassen, aber was sollte ich machen? Sie waren erwachsen. Außerdem hatten sie schon so viele Gefahren durchlebt, dass sie keinen Leibwächter brauchten.
Was hielt ich in den Händen?
Zum einen gab es einen toten Wohnmobilbesitzer. Und es gab den Anruf bei den Conollys. Es war die schrille Stimme einer jungen Frau gewesen. Daran gab es keinen Zweifel.
Aber wer steckte dahinter? Und warum mordete sie? Nach welchem Plan ging sie vor? Was waren ihre Motive? Gab es sie überhaupt? Oder suchte sie sich ihre Opfer willkürlich aus?
Das konnte durchaus sein. Dann folgte sie einfach einem perversen Trieb.
Ich saß auf dem Rücksitz des Taxis, um dort meinen Gedanken nachhängen zu können, schaute aber auch nach vorn und sah plötzlich, dass die Straße vor uns nicht mehr leer war.
Ein Fahrradfahrer geriet in die Lichtfinger der Scheinwerfer. Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, im falschen Film zu sein, denn beim Näher kommen sah ich, dass ich den Biker kannte. Es war kein Geringerer als Johnny Conolly, mein Patenkind. Er stand fast auf der Straßenmitte und schien sich an seinem Rad festzuhalten.
»Halten Sie bitte an.«
»Wo? Jetzt?«
»Ja. Neben dem jungen Mann auf dem Fahrrad.«
»Kennen Sie den?«
»Bitte stoppen Sie.«
»Und wenn es eine Falle ist?« Der Mann fuhr schon langsamer. »Man hört ja einiges.«
»In diesem Fall nicht. Ich bin von Scotland Yard.«
Der Mann nahm es kommentarlos hin und stellte keine weiteren Fragen mehr. Dafür hielt er neben Johnny an.
Ich drückte bereits die Tür auf und fragte: »Was treibst du dich denn um diese
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