1559 - Kleine böse Nathalie
tun müssen. Sie wollte ihm Angst einjagen. Er sollte zittern vor der Unbekannten, bevor sie erneut zuschlug.
Nathalie war mit dem Corsa in die Nähe seines Wohnorts gefahren. Es war eine gute Wohngegend im Londoner Süden. Die Häuser standen hier auf großen Grundstücken. Wer hier wohnte, musste es sich leisten können. Nathalie lächelte, als sie daran dachte, dass ausgerechnet sie es war, die den Tod und den Schrecken bringen würde.
Dabei war es nicht wichtig, wen sie tötete, es zählte nur, dass sie tötete, denn nur Leichen zählten, um letztendlich ihre Pflicht ihm gegenüber zu erfüllen. Er, den sie jetzt auf den Beifahrersitz gestellt hatte, und dem sie hin und wieder einen liebevollen Blick zuwarf.
Ihre Gedanken kehrten zu dem Porschefahrer zurück. Sie kannte auch das Haus, in dem er wohnte. Für eine einzelne Person war es recht groß. So ging sie davon aus, dass er dort zusammen mit seiner Frau lebte. Vielleicht auch mit den Kindern.
Ihr Lächeln wurde breiter. Wenn ihre Vermutung zutraf, dann warteten bereits mehrere Opfer auf sie. Eine Familie. Vielleicht alle zusammen an einem Ort. Besser konnte es nicht laufen. Aber bis dorthin war der Weg noch weit. Sie war allerdings fest entschlossen, ihn zu gehen, und während sie daran dachte, drehte sie den Kopf nach links, um auf den Beifahrersitz zu schauen.
Dort stand der Schädel. Sie hatte ihn gerettet, und darauf war sie ungeheuer stolz.
Auch jetzt war er von dieser wunderbaren, leicht grünlich schimmernden Patina umgeben, die für sie so etwas wie ein Hauch war. So federleicht und nicht wegzuwischen.
»Bist du bisher mit mir zufrieden, Daddy?«
Es war ihr wichtig, eine Antwort zu erhalten. Ein Lob freute jeden Menschen.
Der Schädel gab ihr jedoch keine Antwort.
Trotzdem war sie nicht enttäuscht. Nathalie wusste, dass sie keinen Fehler begangen hatte. Auch wenn sie in den leer wirkenden Augen des Schädels kein blaues Licht sah, sie ging einfach davon aus, dass ihr Daddy mit ihr zufrieden war.
Nathalie überlegte. Sie dachte darüber nach, ob sie noch länger in dieser Straße parken sollte. Sie hätte die Nacht in ihrer Höhle verbringen können. Dort würde sie niemand finden, weil kein Mensch auf den Gedanken kam, dass dort jemand lebte.
Aber das war ihre Heimat, und die würde sie nicht aufgeben.
Es würde auch niemand nach ihr fragen. Eigentlich war sie für die übrige Welt nicht mehr vorhanden, und so etwas konnte für sie nur von Vorteil sein.
Hin und wieder hatte sie ein langsam fahrendes Fahrzeug passiert, das war aber auch alles. Ansonsten hatte sie ihre Ruhe.
Mitternacht war vorbei. Es gab den neuen Tag. Er würde wieder sehr wichtig für sie werden. Einige Stunden Schlaf konnte sie sich gönnen. Bis zu ihrem Versteck war es zwar recht weit, doch mit dem Auto war die Strecke um diese Zeit schnell zu schaffen.
Etwas irritierte sie. Es war eine Bewegung, die sich vor ihr abspielte. Sie wäre ihr kaum aufgefallen, wenn es nicht so ruhig in der Umgebung gewesen wäre. So wurde sie aufmerksam, schaute nach vorn und sah tatsächlich, dass ihr auf der anderen Straßenseite ein Fahrradfahrer entgegenkam.
In dieser Straße gab es nur wenige Laternen. Der Fahrer musste ab und zu durch das Licht. Zweimal sah sie ihn so, und sie sah auch, dass er sein Fahrverhalten änderte.
Er fuhr jetzt mitten auf der Straße und verlangsamte sein Tempo.
Bisher war Nathalie recht entspannt gewesen, doch das änderte sich in diesem Augenblick…
***
Den Film hatte Johnny Conolly zusammen mit ein paar Freunden gesehen. Er hieß Jumper und behandelte das Thema der Teleportation. Da schafften es Menschen, sich von einem Augenblick zum anderen an jeden beliebigen Punkt der Welt zu teleportieren, um dort ihre Spaße zu treiben. Allerdings gab es auch für sie Feinde, und so war es zu zahlreichen Actionszenen gekommen.
Seine Freunde hatte dieser Streifen amüsiert, und sie hatten bedauert, dass es so etwas in der Wirklichkeit leider nicht gab.
Johnny Conolly hatte sich aus der Diskussion herausgehalten. Er wusste es besser, denn er kannte eine Person, die dazu in der Lage war. Glenda Perkins, die Sekretärin von John Sinclair, der sein Patenonkel war.
Sie war ebenfalls in der Lage, sich von einem Punkt der Welt zu einem anderen zu schaffen, aber darüber und auch über die Gründe, weshalb sie das schaffte, würde Johnny mit keinem Fremden sprechen. Auch nicht mit seinen besten Freunden.
Dieser Abend war ohne Mädchen abgelaufen. Johnny und
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