1562 - Totentanz im Tanga-Club
Cora zuckte jedes Mal zusammen.
Sie wusste nicht genau, was man mit ihr anstellen würde, aber sie rechnete mit dem Schlimmsten, auch mit dem Tod, denn dieser Mob kannte kein Erbarmen.
Bisher hatte es noch keine Toten gegeben, doch das konnte sich schnell ändern. Die Leute in dieser Gegend hatten ihre eigenen Regeln.
Sie blieb in Deckung. Jeden Herzschlag spürte sie als Echo im Kopf. Sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Sie musste selbst den kleinsten Laut vermeiden, um sich nicht zu verraten.
Sie kamen näher.
Licht war zu sehen. Die hellen Finger der Lampen strichen über den Boden hinweg und streiften auch die mit Laub gefüllte Mulde.
»He, kommt mal her!«
Cora verkrampfte sich. Die Stimme war ziemlich nah aufgeklungen.
Jetzt waren die Verfolger da. Der Lichtkegel huschte über das feuchte Laub hinweg.
Er traf auch das Wurzelwerk des halb umgekippten Baumes.
Die Frau machte sich noch kleiner. Am liebsten wäre sie in die Erde gekrochen, was leider nicht möglich war. So musste sie abwarten, ob das Glück weiterhin auf ihrer Seite stand.
»Hast du was entdeckt?«
»Hier könnte sie sein.«
»Das soll der Hund herausfinden.«
Cora hörte deutlich das Knurren und Hecheln. Es kam ihr schlimmer vor als das Bellen. Wenn der Suchhund losgelassen wurde, gab es keine Chance mehr für sie.
Mehrere Lampen leuchteten in die Mulde. Zwangsläufig trafen sie auch den Eingang zur Höhle unter dem Baumstamm.
»Sieht nach einer Höhle aus.«
»Gehen wir weiter oder…?«
»Lass Killer los.«
Cora hatte alles gehört. Wer seinen Hund Killer nannte, hatte das bestimmt nicht grundlos getan und ihn entsprechend abgerichtet.
Ein Schauer lief über ihren Rücken und sie dachte bereits darüber nach, das Versteck freiwillig zu verlassen.
Aber da überschlugen sich die Ereignisse.
Sie schickten den Hund los, und der erreichte mit einem großen Sprung die Mitte der Mulde. Er sank in das Laub ein, schüttelte sich, knurrte und hechelte, während er sich im Kreis drehte. Dann verharrte er, als hätte er Witterung aufgenommen.
Seine Schnauze war genau auf die Höhle gerichtet. Cora konnte erkennen, dass es sich um eine Dogge handelte.
Das Knurren hörte sich jetzt noch drohender an. Bis die Dogge den Kopf schüttelte, als wollte sie etwas loswerden. Dann hielt sie nichts mehr an ihrem Platz. Mit scharrenden Pfoten schaufelte sie das Laub hoch und setzte auf dem weichen Untergrund zu einen Sprung an.
Da Cora lag, sah sie alles aus einer besonderen Perspektive. In Augenhöhe tauchte die Schnauze des Hundes vor ihr auf.
Sie sah ihn, er sah sie! Und die Dogge handelte, als wollte sie ihrem Namen Killer alle Ehre machen. Es gab jetzt kein Halten mehr für sie.
»Er hat sie!«, schrie eine Männerstimme.
Killers Schnauze war nicht mehr geschlossen, sondern weit aufgerissen. Jetzt sah Cora auch das mörderische Gebiss, das einen Menschen zerreißen konnte.
Sie stemmte ihren Körper hoch. Warum sie das tat, wusste sie selbst nicht. Etwas überschwemmte sie wie eine gewaltige dunkle Welle, der sie nichts entgegensetzen konnte. Vor ihrer Ohnmacht sah sie als Letztes die geifernden Lefzen des Hundes vor sich, der sich um mehr als das Doppelte vergrößert hatte.
Den Anprall erlebte sie bewusst nicht mehr mit. Da umhüllte sie bereits eine gnädige Dunkelheit…
***
Ferne Männerstimmen. Manchmal ein Lachen. Auch ein scharfes Bellen war zu hören.
Dann der eiskalte Guss.
Das Wasser traf zum größten Teil den Kopf der Frau und riss sie aus ihrer Ohnmacht hervor.
Sie öffnete den Mund, Wasser rann in die Kehle, und sie konnte nicht anders, sie musste husten, und sie riss dabei die Augen auf.
»Ha, unsere kleine Nutte ist wieder da!«
»Wurde auch Zeit.«
»Ja, sie soll die Nacht erleuchten.«
Cora hatte die Sätze verstanden. Nur war sie noch längst nicht wieder voll da, um sie richtig zu begreifen. Sie verspürte den Wunsch, wieder wegzusacken in eine dunkle Welt, in der es keine Probleme gab.
Dagegen hatten die Männer etwas.
Da Cora nicht aus eigener Kraft aufstehen konnte, wurde sie in die Höhe gerissen.
Für einen Moment hatte sie das Gefühl, wieder zu fallen, aber sie hielt sich auf den Beinen, weil harte Hände sie gepackt hielten. Sie wurde zurückgerissen, bis sie mit dem Rücken gegen einen harten Gegenstand prallte, von dem sie nicht mehr wegkam.
Ihr Kopf pendelte von einer Seite zur anderen, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen konnte.
Die nächste Ladung Wasser klatschte in ihr Gesicht.
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