1563 - Blut-Geschwister
Bruder am Ärmel zu sich heran. »Wie stark fühlst du dich?«
»Nicht besonders, muss ich gestehen.«
»Es ist noch nicht unsere Zeit. Wir müssen stärker sein, wenn wir kämpfen wollen.«
»Willst du denn bis zur Dunkelheit warten?«
»Das können wir wohl nicht. Die andere Seite könnte schneller sein.«
»Und jetzt?«
»Warten wir hier.«
Beide schauten sich an. Lena wartete darauf, dass ihr Bruder zustimmte.
Gleich darauf sah sie sein Nicken. »Ja, wir werden es also hier hinter uns bringen. Kämpfen oder untergehen.«
Lena schüttelte den Kopf. »Nein, nicht untergehen. Wenn es sein muss, fliehen wir. Aber wir werden uns nicht verstecken. In der Residenz wartet viel Blut auf uns…«
***
»Ist es richtig, John, wenn wir die Residenz mit den Alten schutzlos zurücklassen?«
Ich hob die Schultern. »Wer kann das schon wissen? Aber wir müssen der Spur nachgehen.«
Überzeugt war ich selbst nicht ganz, aber was sollten wir tun? Wir mussten etwas unternehmen. Die Vampirquelle musste gefunden werden. Wir mussten die Brut ausrotten, bevor weiteres Unheil geschah.
Keiner von uns konnte mit Sicherheit behaupten, dass Boris der einzige Blutsauger war. Da konnte es durchaus noch mehr geben, das war nicht sicher auszuschließen.
Dennoch hofften wir immer noch, dass es letztendlich nicht zutraf.
Wir rollte mit dem Opel über eine der schmaleren Straßen, die es in dieser Gegend gab. Sie lagen abseits der Touristenrouten und wurden fast nur von Einheimischen benutzt.
Wir überholten hin und wieder einen Biker, insgesamt auch zwei Lastwagen, aber ansonsten war die Strecke schon recht leer. Sie führte durch eine liebliche und auch malerische Landschaft.
Hin und wieder fuhren wir an einsamen stehenden Häusern oder Gehöften vorbei.
Da Harry Stahl hinter dem Steuerrad saß, hatte ich den Zettel mit den Notizen vor mir liegen. Viel hatte sich Harry nicht notiert. Wir mussten nur auf ein altes Steinkreuz achten. Von dort waren es noch rund zweihundert Meter bis zu dem Hang, auf dessen Kuppe das Haus stand, das angeblich von dem Geschwisterpaar bewohnt wurde.
Das Kreuz sah ich auf der linken Seite. Ich musste Harry nicht darauf aufmerksam machen, er hatte es selbst gesehen.
»Aha, dann hätten wir es ja bald.«
»Ja, rechts.«
»Und wo sollen wir parken?«
»Dort, wo man uns nicht sofort vom Haus aus sehen kann. Vielleicht gibt es in der Nähe eine Hecke, hinter der wir deinen Wagen abstellen können.«
»Mal sehen.«
Unser Gespräch brach ab, weil wir beide nach rechts geschaut und den Hang mit dem Haus entdeckt hatten. Es war ein typisches Bauwerk für diese Gegend. Nicht sehr hoch und mit einem Dach versehen, das weit überstand und dessen Schindeln ausbesserungsbedürftig wirkten. Einen schweren Orkan würde das Dach wohl nicht mehr überstehen.
Harry fuhr langsam, jedoch nicht so langsam, dass es auffiel, sollte uns jemand vom Haus aus beobachten.
Das schien nicht der Fall zu sein, denn unser Blick fiel auf dunkle oder verdunkelte Fenster.
Dann waren wir außer Sichtweite, und Harry ging mit dem Tempo weiter herunter.
Vor uns führte die Straße in ein lichtes Waldstück hinein. Bis dorthin wollten wir nicht, denn rechts von uns, wo der Straßengraben aufhörte, gab es eine freie Stelle, an der wir parken konnten und wo man uns vom Haus her nicht mehr sah.
Wir stiegen aus.
»Wie gehen wir hin?«, fragte Harry.
Ich hob die Schultern. »Auf keinen Fall den Hang hoch. Man würde uns sofort sehen.«
»Schlafen Vampire nicht am Tag?«
»Hat Boris auch geruht?«
»Nein.«
»Wir gehen auf Nummer sicher. Hier hoch, und dann können wir in den Wald eintauchen und von dort aus an die Rückseite des Hauses gelangen.«
»Dann geh du vor.«
Es war kein normales Gehen. Wir mussten uns schon anstrengen. Von der Straße aus hatte der Hang nicht so steil ausgesehen. Das Steigen ging schon in die Beine, und wir beugten unsere Oberkörper recht weit vor. Im Wald, den wir durchquerten, standen die Bäume zwar nicht sehr dicht, aber das Buschwerk, auch kleinere Tannen oder Fichten schützten uns schon vor Blicken.
Wir kamen richtig ins Schwitzen, aber jede Plackerei hat mal ein Ende. Wir erreichten das Ende des Hangs und befanden uns ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Haus.
»Na, geht doch«, sagte Harry.
»Kar.« Ich wandte mich dem Haus zu und blickte auf eine Seitenwand. Dort hatte sich die Natur ausgebreitet. Hohe Gräser reckten sich aus der Erde, und welche Gewächse an der Wand in die Höhe
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