1564 - Report der Unsterblichkeit
einzelne Raum, ja jede Nische konnte von hier aus beobachtet werden. Jedes Ausstellungsstück war derart gesichert, daß bei dem Versuch der Berührung unverzüglich ein „Stiller Alarm" erfolgte und das betreffende Objekt mitsamt seiner Umgebung auf einem der vielen Bildschirme gezeigt wurde.
Auf Atlans Forderung hin waren die Schirmprojektoren ausgeschaltet worden. Wo es notwendig war, Gegenstände anzufassen, geschah das mit aller gebotenen Vorsicht.
Vom Zentralcomputer des Museums waren von hier aus jedoch ebenfalls alle möglichen Daten abzurufen, die in ihm gespeichert worden waren: Statistiken, Geschäftsergebnisse, Kostenaufstellungen, Vermerke über jedes einzelne Kunstwerk, seinen veranschlagten Wert, den Zeitpunkt seiner Anschaffung und, falls dem Museum geschenkt, seinen Spender.
Tareyan, ein junger Arkonide, der Atlan und Kassian empfohlen worden war, kümmerte sich um die Geschäftsunterlagen, sehr zum Verdruß des Direktors. Dieser uralte Trichter war sein Heiligtum, seine Lebensaufgabe und sein Kind. Wer sich daran zu schaffen machte, und wenn auch nur auf der Suche nach Daten, beging in seinen Augen bereits einen Frevel.
Immerhin war seine Hochachtung für Atlan gerade noch ausreichend, daß er sich die nötige Zurückhaltung auferlegte - wenn es auch noch so sehr schmerzte. Er war fast immer zugegen, aber hielt sich im Hintergrund. Atlan übersah ihn meist. Er war heilfroh, daß ihm Momerons Anwesenheit erspart blieb.
Der Direktor zuckte immer dann heftig zusammen, wenn einer der Spezialisten mit einem neuen Bericht herunterkam, wozu auch Röntgenaufnahmen von Wänden, Decken, Böden und Denkmälern gehörten. Es sah tatsächlich so aus, als litte er mit dem Gebäude, dem man „Gewalt" antat.
Atlan ließ sich alle Ergebnisse zeigen, bis er sicher sein konnte, daß es in den untersuchten Etagen keinen Kubikzentimeter Raum mehr gab, der ein Geheimnis verbergen konnte - jedenfalls keines, das sich ertasten, sehen oder fotografieren ließ. Mit jeder Stunde, die ohne Ergebnis verstrich, wurde seine Miene düsterer. „Wir haben jetzt eine genaue Aufstellung aller Beträge und Gegenstände, die das Museum von Garvan erhalten hat", riß ihn eine Stimme aus seinen Gedanken, als es bereits Abend geworden war. Auf Atlans Anweisung hin waren die Scheinwerfer ausgeschaltet geblieben, die den Trichter normalerweise über Nacht in ein Meer von Licht und Farben tauchten. Nur die Innenbeleuchtung brannte überall dort, wo gearbeitet wurde.
Kassians Vertrauter, ein Mitarbeiter der Orbanaschol-Werften, reichte Atlan eine Liste. Der Arkonide nickte Tareyan dankend zu und studierte die Zahlen und Kommentare. „Garvan hat also erst vor zwei Jahren seine Berufung als Kunstmäzen erkannt", stellte er fest. „Seit dieser Zeit hat er regelmäßig gesponsert und gleich mit Beträgen, die den Staatshaushalt einer mittleren Sternenkolonie abdecken würde.
Vorher wußte er vermutlich überhaupt nicht, daß es dieses Museum gab, sonst müßte sich eine Eintragung finden."
„Welche Eintragung?" fragte Kassian. „Seine Anmeldung für einen Besuch?"
„Ins Gästebuch des Museums", kam der Direktor Atlan zu Hilfe. „Es ist Sitte, daß alle Besucher von Adel gebeten werden, sich bei ihrem ersten Besuch im syntronischen Gästebuch zu verewigen - zu ihrem und des Museums Ruhm."
Das Faltengesicht lächelte stolz. „Ich kann mich nicht daran erinnern, daß je ein hoher Gast dieser Bitte nicht entsprochen hätte."
„Und Garvan?" fragte Kassian. „Doch offenbar nicht, sonst hätten wir ja..."
Der Direktor zeigte Nachsicht mit dem Temperament des jungen Mannes. „Garvan hat sich in meiner Gegenwart unsterblich gemacht.
Ich erinnere mich noch genau an seine glänzenden Augen, als er seine Eingabe machte. So erregt habe ich einen hohen Besucher selten gesehen."
„Und wo ist dann die Eintragung?" wollte Theta wissen. „Gelöscht", gab Atlan die auf der Hand liegende Antwort. „Er muß es selbst getan haben, um eine Spur zu verwischen."
Er sah den Direktor so scharf an, daß dieser um zwei Köpfe zu schrumpfen schien. „Machte Garvan von Taphraig den Eindruck eines Mannes, der viel von Baudenkmälern und Kunst versteht?"
Der Direktor wand sich. „Nun", dehnte er, „er muß wohl ein großes Herz für die Erhaltung unserer uralten Profanbauten gehabt haben, hätte er sonst so selbstlos und großzügig ...?"
„Er war ein Verbrecher!" fuhr Kassian ihn an. „Eine Schande für unser Volk! Hast du das immer noch
Weitere Kostenlose Bücher