1564 - Wenn die Toten sprechen
Gegner vernichtete. Es war ein warmes Licht. Man konnte sogar von einer schützenden Helligkeit sprechen.
Dann sah ich, dass sich ihre Konturen auflösten. Ich dachte an die Zeugenaussagen, wie schnell das Mädchen auf einmal verschwunden war, aber hier entfernte es sich nicht.
Es blieb auf der Stelle stehen und gab einen Laut von sich, der mich erschreckte. Es war ein wilder, böser Schrei, der überhaupt nicht zu ihr passte. Er schwang mir nur kurz entgegen, dafür allerdings sehr schrill und böse.
Dann war er verstummt.
Vorbei.
Und auch keine veränderte Maria Conti mehr. Hier stand ein völlig normaler Teenager vor mir, dem das Kreuz nichts angetan hatte.
Ich ließ die Hand sinken, steckte meinen Talisman wieder weg und wartete auf eine Reaktion des Mädchens.
Maria musste sich erst erholen, denn es war etwas viel für sie gewesen.
Sie atmete heftig, konnte sich nicht mehr halten und taumelte zurück.
Zum Glück stand dort Suko, der sie auffing und auf die Bettkante setzte.
»Danke«, flüsterte Maria. »Ich danke Ihnen.«
Sie strich über ihre Stirn, und nachdem sie die Hände wieder herabgenommen hatte, faltete sie sie wie zum Gebet. Sie flüsterte etwas vor sich hin, was Suko und ich nicht verstanden.
Suko flüsterte mit zu: »Ich denke, das ist weiterhin deine Sache, John. Du hast das Kreuz.«
Wir wechselten in der engen Kammer die Standorte.
Suko baute sich an der Tür auf, während ich in der Nähe des Bettes blieb und mich auf einen Stuhl setzte. Jetzt saßen wir uns ungefähr in Augenhöhe gegenüber.
Maria Conti hatte sich wieder gefangen. Noch wenige tiefe Atemzüge, und ich stellte fest, dass sie wieder in der Lage war, mir ein paar Fragen zu beantworten.
»Hat dir mein Kreuz gefallen?« Mit dieser Frage versuchte ich, mich an das Ziel heranzutasten.
Sie musste nicht nachdenken. Nur ihre Augen weiteten sich, als sie sagte: »Ja, es hat mir gefallen. Das Kreuz ist einfach wunderbar gewesen. Ich - ich - liebe es.« Sie schaute plötzlich verträumt. »Ich habe noch nie ein so wunderbares Gefühl gehabt.«
»Das freut mich.«
»Danke.« Sie lächelte und wollte dann wissen, wie so ein Mensch heißt, der ein derartiges Kreuz besitzt.
Ich nannte ihr nun auch meinen Nachnamen.
»Das - das - ich kann es noch immer nicht begreifen. Wie kann ein Mensch nur so etwas Schönes und Einzigartiges besitzen? Das ist mir unbegreiflich. Als ich es sah, da war plötzlich alles anders. Da erfüllte mich ein Gefühl, wie ich es zuvor nie gekannt habe. Aber ich habe mich immer danach gesehnt. Es steckte in meinem Unterbewusstsein. Es war so wunderbar, das kann ich nur immer wiederholen. Ich habe mich wie im Himmel gefühlt. Dieses Licht war wunderbar. Als wollte es mich von der Erde wegtragen. Aber ich komme nicht hin zu meinem Wunschziel. Nicht jetzt, nicht, wo ich auf der Erde wandle. Aber es ist mein Ziel. Ich möchte in den Himmel gelangen, ich möchte gehen und nicht schweben…«
»Schweben?«, wiederholte ich.
»Ja. Das ist mein Zustand. Schweben zwischen Himmel und Hölle. So ist es und nicht anders.«
Ich horchte auf, und ich war zugleich davon überzeugt, dass mich dieses junge Mädchen nicht angelogen hatte. Auf keinen Fall.
Maria besaß etwas, das sie von den anderen Menschen abhob. Man musste nur genau hinhören, was ich getan hatte. Sie hatte den Himmel erwähnt und auch die Hölle und gesagt, dass sie zwischen beiden schwebte. Und wie es aussah, würde sie alles daransetzen, um den Himmel zu erreichen.
Was immer der Himmel auch war, keiner wusste es genau. Die Menschen hatten sich Bilder von ihm gemacht. Sie vermuteten ihn weit oben, wo auch der Allmächtige auf seinem Thron saß und die Gerechten um sich scharte.
Ich stellte ihr meine nächste Frage. »Du weißt, dass wir dich gesucht haben, Maria?«
Sie überlegte etwas länger als gewöhnlich. »Ja«, gab sie dann zu. »Das kann ich mir denken. Es sind Dinge geschehen, denen man auf den Grund gehen musste. Ich habe mich eingemischt, aber ich konnte einfach nicht anders. Das müssen Sie verstehen.«
»Sicher, das tun wir.«
»Ich habe nichts Unrechtes getan.«
Es war zu sehen, dass sich Maria aufregte. Die Gesichtshaut nahm eine leichte Rötung an und zuckte zudem um die Mundwinkel herum.
Ich legte meine Hand auf ihre und bat sie, mir zu vertrauen und sich nicht weiter aufzuregen.
»Ja«, versprach sie, »das werde ich. Ein Mann, der ein solches Kreuz besitzt, kann nicht schlecht sein. Zu dem muss ich einfach Vertrauen
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