1568 - Schreckenskammer
etwas ganz anderes.«
»Nein, das habe ich nicht.« Bills Handbewegung war bezeichnend. Er wollte die Beretta hervorholen, und er rechnete damit, dass Winkler zu überrascht war, um etwas zu unternehmen.
Doch Bill irrte sich. Er hatte die Schnelligkeit und Raffinesse des Mannes unterschätzt. Zwei kurze Schritte brauchte er nur zurückzuweichen, dann stand er im Dunkeln.
Bill sah den Deutschen nicht mehr. Dafür hörte er ihn. Ein hart klingendes Lachen wehte ihm entgegen, und von ihm war nichts mehr zu sehen.
Bill blieb mit gezogener Waffe auf der Stelle stehen. In seinem Innern verfluchte er sich. Er hätte schneller handeln müssen, aber dazu war es jetzt zu spät.
Er hörte Winkler. Der Mann hatte seinen Spaß. Jedes seiner Worte wurde von einem Lachen begleitet.
»Willkommen in der Schreckenskammer und willkommen im Vorhof der Hölle, mein Freund!«
Eine Sekunde später verlosch das Licht! Und das war nicht alles. An den Geräuschen hörte Bill, dass sich auch die Tür mit einem schnappenden Geräusch schloss…
***
»Na, auch das noch!« Nach dieser Bemerkung stieß Bill einen Fluch aus. Er bewegte sich nicht von der Stelle, weil er das Gefühl hatte, auf dem Boden festgefroren zu sein. Als Gefangener erlebte er zum ersten Mal die Stille um sich herum, die von keinem Geräusch unterbrochen wurde.
Kein Knarren, kein Schaben oder Schleifen. Aber auch kein fremdes Atemgeräusch. Er hörte auch nicht das Rieseln der Asche, und dieser Winkler hatte sich sowieso zurückgezogen. Aus der Finsternis hervor würde er sein Spiel beginnen, an dessen Ende durchaus der Tod für den Reporter lauern konnte.
Nachdem Bill die erste Überraschung überwunden hatte, fing es hinter ihm an zu knirschen. Auf dem Boden, aber auch höher entstanden die Geräusche, und Bill ging davon aus, dass sie eine Gefahr für ihn bedeuteten.
Etwas lief hier im Geheimen ab, etwas war anders geworden. Es war ihm nur nicht möglich, dies mit den Augen zu erkennen. Um etwas sehen zu können, benötigte er Licht. Er hätte bis zur Tür gehen und dort nach dem Schalter suchen können, aber er wollte sich nicht darauf verlassen, dass das Licht dann auch brannte. Es gab für ihn eine bessere Möglichkeit.
Er hatte sich schon vorbereitet und seine kleine, aber lichtstarke Lampe mitgenommen. Es war für ihn die Möglichkeit, die Finsternis zu vertreiben und sich einen Weg zu suchen.
Dabei dachte er auch daran, einen Ausweg zu finden. Einen zweiten Ausgang vielleicht, der bisher in der Dunkelheit lag. Und er fragte sich weiter, ob Otto Winkler seine Schreckenskammer verlassen hatte oder darauf lauerte, ihn auszuschalten. Bill konnte sich vorstellen, dass letztere Alternative eher zutraf.
Die Lampe hielt er schon zwischen den Fingern. Er traute sich nur nicht, sie einzuschalten. Auch aus Angst, dass er seinen Standort verriet und dann von einer Kugel getroffen werden konnte. Also ließ er die Lampe zunächst ausgeschaltet und suchte sich in der Finsternis seinen Weg.
Dabei drehte er sich um. Jetzt traf sein Blick zwangsläufig das gewaltige Skelett. Diesmal wurde es von keinem Lichtschein erfasst, aber es war trotzdem zu sehen, denn ein schwaches und irgendwie unheimliches Leuchten zeichnete seine Konturen nach.
So waren die hellen Stellen, die das Tuch nicht verdeckte, ebenfalls gut zu sehen. Das Glühen in den beiden Augenhöhlen trat deutlicher hervor.
In den hinteren Schächten der Pupillen musste ein unheimliches Licht leuchten. Otto Winkler hatte die Hölle mehrmals erwähnt. Und wie er das getan hatte, ließ darauf schließen, dass er von ihrer Existenz überzeugt war und fest an sie glaubte.
Sie würde ihn beschützen und seine Feinde vernichten. Auch Bill Conolly würde daran nichts ändern können.
Bill wog die Waffe in der Hand. Er dachte darüber nach, ob er sie einsetzen sollte. Ein Ziel gab es ja. Wenn er ein Auge des Skeletts traf, würde er wissen, ob dieses Wesen tatsächlich lebte oder nur künstlich war.
Es leben zu sehen und von ihm gejagt zu werden, das passte Bill nicht in den Kram und deshalb stellte er seinen Vorsatz zurück. Er hatte sich etwas anderes vorgenommen und wollte sich erst einmal in der Dunkelheit zurechtfinden, was nicht mal zu schwer war. Vor dem Verlöschen des Lichts hatte er sich einiges einprägen können und kam sich deshalb auch nicht völlig hilflos vor.
Es gab keine vorgezeichneten Wege und auch keine Absperrungen für die Besucher. Wer die Schreckenskammer betrat, der konnte sich frei
Weitere Kostenlose Bücher